„Menschensafaris“ bei den Jarawa
Obwohl Indiens Oberster Gerichtshof 2002 angeordnet hat, dass die Fernstraße durch das Reservat der Jarawa geschlossen werden soll, ist diese weiterhin geöffnet. Touristen nutzen sie für „Menschensafaris“.
Wilderer dringen in den Wald der Jarawa ein und töten die Tiere, auf die das Volk angewiesen ist. Mit Alkohol und Marihuana haben sie Jarawa-Frauen sexuell gefügig gemacht.
DRINGEND: Bitte schreibe der indischen Regierung eine E-Mail mit der Forderung, die „Menschensafaris“ sofort zu beenden.
Es wird vermutet, dass die Völker der Andamanen-Inseln – die Jarawa, die Großen Andamanesen, die Onge und die Sentinelesen – den Archipel im Indischen Ozean seit bis zu 55.000 Jahren ihre Heimat nennen.
Heute wird ihre Bevölkerungszahl von mehreren hunderttausend Indern übertroffen, die sich in den letzten Jahrzehnten auf den Inseln niedergelassen haben.
Die Jarawa
Heute leben ca. 400 Angehörige des Nomadenvolks der Jarawa in Gruppen von 40-50 Menschen in Häusern, die sie chaddhas nennen.
Wie die meisten indigenen Völker, die autark auf ihrem angestammten Land leben, leben die Jarawa nach wie vor gut, sodass ihre Anzahl kontinuierlich ansteigt.
Sie jagen Schweine und Schildkröten und fischen mit Pfeil und Bogen in den korallenumrandeten Riffen nach Krabben und Fischen, darunter Gestreifte Korallenwelse und Kleine Ponyfische. Sie sammeln zudem Früchte, wilde Wurzeln, Knollen und Honig. Die Bögen werden aus einem besonderen Holz (chooi) hergestellt, das außerhalb des Gebiets der Jarawa wächst. Sie müssen deshalb häufig große Distanzen zu der Insel Baratang zurücklegen, um es dort zu sammeln.
Die Männer und Frauen der Jarawa sammeln wilden Honig von hohen Bäumen. Während des Honigsammelns singen die Gruppenmitglieder zum Ausdruck ihrer Freude Lieder. Die Honigsammler kauen den Saft aus den Blättern einer Bienen abstoßenden Pflanze wie Ooyekwalin, den sie dann mit ihren Mündern auf die Bienen sprühen um sie zu vertreiben. Sobald die Bienen verschwunden sind, schneiden die Jarawa das Bienennest vom Baum und legen es in einen Holzeimer auf ihrem Rücken. Nach dem Verzehr von Honig gehen die Jarawa baden.
Eine Studie zu ihrer Ernährung und Gesundheit fand heraus, dass ihr Ernährungszustand „optimal“ ist. Sie verfügen über detailliertes Wissen über mehr als 150 Pflanzen- und 350 Tierarten.
1998 begannen einige Jarawa, zum ersten Mal ohne ihre Bögen und Pfeile aus ihrem Wald herauszutreten, um nahegelegene Orte und Siedlungen zu besuchen.
1990 legten die örtlichen Behörden ein auf einen langen Zeitraum ausgelegtes Gesamtkonzept vor, nach dem die Jarawa in zwei Dörfern angesiedelt werden und von der Fischerei leben sollten. Jagen und Sammeln könne ihr „Sport“ sein. Der Plan ging so stark ins Detail, dass er sogar vorschrieb, welche Art von Kleidung die Jarawa tragen sollten. Die erzwungene Sesshaftwerdung in Siedlungen hatte in der Vergangenheit fatale Folgen für andere Völker der Andamanen-Inseln, ebenso wie für die meisten der weltweit neukontaktierten indigenen Völker.
Im Zuge einer energischen Kampagne von Survival und indischen Organisationen wurde der Umsiedlungsplan aufgegeben und die Behörden gaben 2004 eine neue radikale Strategie bekannt. Danach sollten die Jarawa ihre Zukunft selbst wählen dürfen und Interventionen von außen auf ein Minimum reduziert werden. Dies war ein enormer Erfolg für die international-indische Kampagne.
Mit welchen Problemen sehen sich die Jarawa konfrontiert?
Unter den vier Völkern auf den Andamanen-Inseln ist die Lage der Jarawa am prekärsten.
Die Jarawa sind vielfachen Bedrohungen ausgesetzt:
Die Straße, die ihr Gebiet teilt, führt Tausende Außenstehende in ihr Land, darunter auch Touristen. Diese behandeln die Jarawa wie Tiere in einem Safaripark.
Nach wie vor sind sie durch ihnen fremde Krankheiten gefährdet, gegen die sie kaum oder keine Abwehrkräfte haben. 1999 und 2006 erlitten die Jarawa einen Ausbruch der Masern – einer Krankheit, die infolge des Kontakts mit Außenstehenden weltweit zahlreiche Völker ausgelöscht hat. Eine Epidemie kann für das Volk verheerende Folgen haben.
Jarawa-Frauen wurden unter anderem von Wilderern, Siedlern und Busfahrern sexuell missbraucht.
Einige, darunter der Unterhausabgeordnete der Insel, üben Druck auf die Jarawa aus, sich in die indische Mehrheitsgesellschaft zu integrieren.
Das Schicksal der Großen Andamanesen und der Onge dient als eindringliche Warnung vor der Zukunft der Jarawa, wenn ihre Rechte, den Zutritt zu ihrem Land zu kontrollieren und selbst über ihren Lebensstil zu entscheiden, nicht geachtet werden.
Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft
In Indien bezeichnet „Mainstreaming“ die Strategie, ein Volk dazu zu drängen, sich der im Land dominierenden Gesellschaft anzuschließen. Sie hat für indigene Völker verheerende Folgen. Sie beraubt sie ihrer Selbstständigkeit und Identität und führt dazu, dass sie am Rande der Gesellschaft um ihr Überleben kämpfen. Die Anzahl derer, die an Krankheiten, Depressionen und Sucht leiden oder Selbstmord begehen, schnellt innerhalb des indigenen Volkes fast unweigerlich in die Höhe.
2010 forderte der Unterhausabgeordnete der Andamanen-Inseln „schnelle und drastische Schritte zu unternehmen, um die Jarawa an die grundlegenden Merkmale des Mainstreams heranzuführen“. Kinder sollten in die örtlichen Schulen geschickt werden, um sie von ihrem Volk zu „entwöhnen“. Er beschrieb die Jarawa als „auf einer primitiven Entwicklungsstufe“ befindlich und als „irgendwo zwischen der Stein- und Eisenzeit stecken geblieben“.
Im Glauben, sie seien „rückständig“ oder „primitiv“, haben einflussreiche Personen in Indien, darunter Minister der Regierung, häufig gefordert, dass die Jarawa assimiliert werden sollten. Dieser Wunsch geht jedoch nicht auf die Jarawa selbst zurück, die kein Anzeichen dafür geben, dass sie ihr Leben im Wald aufgeben möchten.
Eine solche Haltung kann auf rassistisch motivierte Verachtung zurückgehen oder Ausdruck einer aufrichtigen Sorge um das Wohlergehen des Volkes sein. Stets beruht sie jedoch auf einer fehlenden Kenntnis der aktuellen, exzellenten Lebensqualität der Jarawa sowie der schlechten Erfahrungen indigener Völker, die gewaltsam assimiliert wurden.
Seit 2004 ist die Strategie der indischen Regierung gegenüber den Jarawa sehr positiv. Der allgemeine Grundsatz lautet, dass das Volk selbst die Kontrolle über seine Zukunft haben soll, bei minimalen Interventionen durch den Staat. Dennoch gibt es nach wie vor viele, die sich lautstark dafür einsetzen, dies zu ändern.
Survival setzt sich weder für eine Isolation noch für eine Integration der Jarawa ein. Wir sind überzeugt, dass die Jarawa – ebenso wie alle indigenen Völker – selbst am besten in der Lage sind zu beurteilen, ob und wie sie ihr Leben verändern möchten. Um Zeit und Raum für solche Entscheidungen zu haben, ist es notwendig, dass ihr Land ordnungsgemäß vor dem Eindringen Außenstehender geschützt wird.
Eingriffe in das Land und Wilderei
Die größte Bedrohung für die Existenz der Jarawa geht von Eingriffen in ihr Land aus, die in den 1970ern mit dem Bau einer Fernstraße durch ihren Wald begannen. Die Andaman Trunk Road (ATR) führt Außenstehende in das Herz ihres Territoriums.
Die ATR hat auch zum Aufkommen von „Menschensafaris“ geführt, auf denen Touristen von Reiseveranstaltern die Straße entlang gefahren werden, in der Hoffnung, Angehörige des Volkes zu Gesicht zu bekommen.
Illegales Jagen, Fischen und Sammeln, sowohl durch ortsansässige als auch durch fremde Wilderer, stellen nach wie vor eine ernste Bedrohung für das Überleben der Jarawa dar. Der Diebstahl der Nahrung, von der sie abhängig sind, kann den Verlust ihrer Autarkie zur Folge haben und zum Aussterben des Volkes führen.
Seit 1993 betreibt Survival Lobbyarbeit um zu erwirken, dass die indische Regierung die Andaman Trunk Road schließt. Wir sind davon überzeugt, dass nur die Jarawa entscheiden sollten, ob, wann und wo sie Außenstehende ihr Land durchqueren lassen.
2002 ordnete der Oberste Gerichtshof Indiens die Schließung der Straße an, dennoch ist sie weiterhin geöffnet.
Im Zuge einer Kampagne von Survival und der örtlichen Organisation „Search“ für die Beendigung der „Menschensafaris“ verbot der Oberste Gerichtshof 2013 für sieben Wochen die Nutzung der Straße durch Touristen. Nachdem die Behörden der Andamanen in der Folge ihre eigenen Regelungen änderten, um die Menschensafaris weiterhin zu erlauben, blieb dem Obersten Gerichtshof keine andere Wahl, als das Verbot wieder aufzuheben.
Im Oktober 2017 haben die Behörden der Andamanen die lang erwartete Seeroute nach Baratang eröffnet. Der Gedanke hinter der alternativen Seeroute war eigentlich Menschensafaris zu verhindern. Doch trotz der Verpflichtung der Behörden, sicherzustellen dass alle Touristen die Seeroute benutzen, tun es zur Zeit nur wenige von ihnen; und die Menschensafaris entlang der Straße kennen kein Ende.
Survival hat die Behörden der Andamanen dazu aufgerufen, scharf gegen Wilderei vorzugehen und sicherzustellen, dass entsprechende Personen verhaftet und strafrechtlich belangt werden. Obwohl für diese Straftat eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren vorgesehen ist, und in den letzten Jahren viele Wilderer verhaftet wurden, wurde keiner von ihnen vom Gericht verurteilt.
Werde für die Jarawa aktiv
Den Jarawa droht eine Katastrophe, wenn ihr Land nicht geschützt wird. Wir sind auf dich angewiesen und benötigen deine Spenden, deine Energie und deinen Enthusiasmus.
- Unterstütze Survivals Reiseboykott, bis die „Menschensafaris“ gestoppt sind.
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