Gesundheitskrise bei den Yanomami
Die Yanomami werden getötet, weil Tausende von illegalen Goldgräber*innen in ihr Gebiet eindringen. Präsident Lula hat dies als „Völkermord“ bezeichnet.
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Die Yanomami
Die Yanomami sind das größte, relativ isoliert lebende indigene Volk Südamerikas. Sie leben im Regenwald und in den Bergen Nordbrasiliens und Südvenezuelas.
Wie die meisten indigenen Völker auf dem Kontinent sind sie wahrscheinlich vor ca. 15.000 Jahren über die Beringstraße zwischen Asien und Amerika emigriert. Die Yanomami zählen heute ungefähr 45.000 Angehörige.
Mit über 9,6 Millionen Hektar umfasst das Territorium der Yanomami in Brasilien eine Fläche, die doppelt so groß ist wie die Schweiz. In Venezuela leben die Yanomami im 8,2 Millionen Hektar großen Biosphärenreservat Alto Orinoco-Casiquiare. Zusammen bilden diese Gebiete das größte bewaldete indigene Territorium unseres Planeten.
1940 kamen die Yanomami erstmals in Kontakt mit Außenstehenden, als die brasilianische Regierung Mitarbeitende entsendete, um die Grenze zu Venezuela abzustecken.
Bald ließen sich der Indianerschutzdienst der Regierung und Missionierende in der Region nieder. Dieser Zustrom von Menschen führte zu den ersten Wellen von Masern und Grippe, an denen viele Yanomami starben.
In den frühen 1970er Jahren entschied die damalige Militärregierung eine Straße durch das Amazonasgebiet entlang der nördlichen Grenze zu bauen. Ohne vorhergehende Warnung fuhren Bulldozer durch das Gebiet der Yanomami-Gemeinschaft Opiktheri. Zwei Dörfer wurden durch Krankheiten, gegen welche die Yanomami nicht immun waren, ausgelöscht.
Die Yanomami leiden auch weiterhin unter den verheerenden Folgen der Straße, die Siedler*innen, Krankheiten und Alkohol mit sich brachte. Heute nutzen Viehzüchter*innen und Siedler*innen die Straße als Ausgangspunkt, um in das Gebiet der Yanomami einzudringen und dort die Wälder abzuholzen.
Goldrausch und Genozid
Als während der 1980er Jahre bis zu 40.000 brasilianische Goldsuchende in ihr Land eindrangen, litten die Yanomami sehr. Die Schürfenden erschossen Yanomami, zerstörten viele ihrer Dörfer und schleppten Krankheiten ein. In nur sieben Jahren starben 20 Prozent der Yanomami.
Nach einer langen internationalen Kampagne, die von Davi Kopenawa, Survival International und der Pro-Yanomami-Kommission (CCPY) angeführt wurde, wurde das Yanomami-Gebiet 1992 schließlich unter dem Namen „Yanomami-Park“ abgegrenzt und die Goldschürfenden wurden aus dem Schutzgebiet verwiesen.
Doch auch nach der Errichtung des Schutzgebietes kehrten Goldschürfende in das Gebiet zurück. 1993 drang eine Gruppe Bergarbeitende in das Dorf Haximú ein und tötete 16 Yanomami, unter ihnen einen Säugling.
Nach einer Welle nationaler und internationaler Entrüstung verurteilte ein brasilianisches Gericht fünf Bergarbeitende wegen Völkermordes. Zwei leisten eine Freiheitsstrafe ab, die anderen sind geflohen. Dies war einer der wenigen Fälle weltweit, in denen ein Gericht Menschen wegen Völkermordes verurteilte.
Das Eindringen von Goldsuchenden in das Land der Yanomami geht auch heute weiter. Die Situation in Venezuela ist sehr ernst und Yanomami haben durch den Goldabbau Vergiftungen erlitten. Seit einigen Jahren sind sie auch wieder Ziel gewaltsamer Angriffe. Die Behörden haben bisher wenig getan, um diese Probleme zu lösen.
In Brasilien haben die Indigenen noch immer keine echten Besitzrechte an ihrem Land – die Regierung weigert sich, die Landrechte von indigenen Völkern anzuerkennen, obwohl sie die internationale Konvention ILO 169 unterzeichnet hat, welche dies garantiert. Viele einflussreiche Personen würden das Gebiet der Yanomami lieber verkleinern und für Bergbau, Viehzucht und Besiedlung zugänglich machen.
Lebensweise
Die Yanomami leben in großen, kreisförmigen Gemeinschaftshäusern, die Yanos, Maloca oder Shabonos genannt werden. In manchen der Häuser leben bis zu 400 Menschen. Der zentrale Bereich der Maloca wird für Aktivitäten wie Rituale, Feste und Spiele genutzt.
Jede Familie hat ihre eigene Feuerstelle, wo sie tagsüber Essen zubereitet und kocht. Nachts werden Hängematten in der Nähe des Feuers aufgehängt, in denen die Familien schlafen. Das Feuer wird die Nacht über geschürt, um die Menschen warm zu halten.
Die Yanomami glauben, dass alle Menschen gleich sind. Die Gemeinschaften sind voneinander unabhängig, es gibt keine „Häuptlinge“. Entscheidungen werden im Konsens getroffen, teilweise in Folge von langen Debatten, bei denen jede*r Mitspracherecht hat.
Die Yanomami verfügen über ein enormes Wissen über die lokale Botanik und verwenden ungefähr 500 Pflanzen für Essen, Medizin, Hausbau und Gebrauchsgegenstände. Sie versorgen sich selbst durch Jagen, Sammeln und Fischen, aber auch durch den Anbau verschiedener Feldfrüchte in großen Gärten.
Wie bei den meisten Völkern im Amazonasgebiet werden Aufgaben unter den Geschlechtern aufgeteilt. Die Männer jagen Wild wie Pekari, Tapire, Rehe und Affen. Dabei benutzen sie oft den Pflanzenextrakt Curare, um ihre Beute zu lähmen.
Obwohl das Erjagte nur etwa 10 % der Nahrung der Yanomami ausmacht, gilt das Jagen unter den Männern als eine angesehene Kunst und Fleisch wird von allen sehr geschätzt.
Kein Jäger isst das erlegte Wild, stattdessen teilt er es mit Freund*innen und Familie. Im Gegenzug bekommt er von anderen Jägern Fleisch.
Die Frauen pflegen die Gärten, in denen die Yanomami ca. 60 verschiedene Feldfrüchte anbauen, die ungefähr 80 % ihrer Nahrung ausmachen. Da der Boden im Amazonasgebiet nicht sehr fruchtbar ist, wird alle zwei bis drei Jahre ein neues Stück Wald für Gärten gerodet. Außerdem sammeln Yanomami-Frauen Nüsse, Schalentiere und Insektenlarven. Wildhonig gilt als sehr wertvoll und die Yanomami ernten 15 verschiedene Sorten.
Sowohl Männer als auch Frauen sind am gemeinschaftlichen Fischfang beteiligt, bei dem sie das Gift Timbó nutzen. Gruppen von Männern, Frauen und Kindern sammeln dazu Bündel aus Kletterpflanzen, mit denen auf die Wasseroberfläche geschlagen wird. Der Pflanzensaft betäubt die Fische, die dann an die Oberfläche treiben, wo sie mit Körben eingesammelt werden können. Die Yanomami nutzen neun Arten von Kletterpflanzen, um die Fische zu betäuben.
Schamanismus und Feste
Die spirituelle Welt ist ein wichtiger Lebensbestandteil der Yanomami. Jedes Lebewesen, jeder Stein, jeder Baum und jeder Berg besitzt einen Geist. Manchmal sind diese bösartig und die Yanomami glauben, dass sie Krankheiten hervorrufen.
Yanomami-Schaman*innen kontrollieren diese Geister, indem sie ein Pulver namens Yakoana inhalieren, das Halluzinationen hervorruft. In ihrer Trance erleben die Schamanen Visionen, in denen sie ihre Geister, die Xapiripë, treffen.
Davi Kopenawa, ein Schamane, erklärt:
‘Nur die, die die Xapiripë kennen, können sie sehen, da die Xapiripë sehr klein und hell wie Licht sind. Es gibt sehr viele Xapiripë, Tausende von Xapiripë wie Sterne. Sie sind wunderschön, geschmückt mit Papageienfedern und bemalt mit Urucum. Manche haben Oraikok, andere tragen Ohrringe und verwenden schwarzes Färbemittel und sie tanzen wundervoll und singen in verschiedenen Tonlagen.’
Wie es für Jäger und Sammler sowie Wanderfeldbäuer*innen typisch ist, benötigen die Yanomami weniger als vier Stunden Arbeit pro Tag, um all ihre materiellen Bedürfnisse zu befriedigen. Es bleibt viel Freizeit für soziale Aktivitäten.
Häufig besuchen sich die Yanomami innerhalb der Gemeinschaften. Zeremonien werden abgehalten, um besondere Ereignisse zu feiern, wie zum Beispiel die Ernte der Pfirsichpalmfrucht oder das Beerdigungsfest Reahu, bei dem einer verstorbenen Person gedacht wird.
Aktuelle Bedrohungen
Zehntausende Goldsuchende arbeiten illegal auf dem Land der Yanomami. Sie schleppen Krankheiten wie Malaria und Masern ein, die für die Yanomami tödlich verlaufen können, und verschmutzen die Flüsse, Fische und den Wald mit Quecksilber. Einige Yanomami, die in Gemeinden in der Nähe von Bergbau-Hotspots leben, haben einen gefährlich hohen Quecksilbergehalt im Körper.
Viehzüchter*innen holzen zudem das östliche Randgebiet ihres Landes ab.
Die Gesundheit der Yanomami leidet darunter. Wichtige medizinische Versorgung erreicht sie nicht, insbesondere in Venezuela.
Zurzeit debattiert der brasilianische Kongress zudem über einen Gesetzesentwurf, der im großen Stil Bergbau in indigenen Gebieten erlauben würde. Dies könnte für die Yanomami und andere indigene Völker in Brasilien fatale Folgen haben.
Die Meinung der Yanomami wurde dabei nicht eingeholt. Sie haben zudem kaum Zugang zu unabhängigen Informationen über die Folgen des Bergbaus.
Davi Kopenawa, ein Sprecher der Yanomami und Präsident der Yanomami-Organisation Hutukara, warnt vor den Gefahren: „Der Bergbau wird die Natur zerstören. Er wird die Zuläufe und Flüsse zerstören und die Fische und die Umwelt töten – und uns auch. Und er wird uns Krankheiten bringen, die es zuvor in unserem Land nicht gab.“
Unkontaktierte Yanomami
Einige Yanomami haben berichtet, dass sie unkontaktierte Yanomami in ihrem Gebiet gesehen haben. Die kontaktierten Yanomami nennen diese Menschen Moxihatetea. Es wird befürchtet, dass die Moxihatetea in einem Gebiet leben, in dem in großem Umfang illegal Gold geschürft wird. Hutukara hat Luftbilder und Videos von ihrem Yano – ihrem Gemeinschaftshaus – veröffentlicht.
Die Moxihatetea leben in einer Region des Yanomami-Gebietes mit der höchsten Konzentration illegal operierender Goldsuchender, von denen einige nur wenige Kilometer vom Yano entfernt arbeiten.
Kontakt mit den Goldsuchenden könnte für die Moxihatetea sehr gefährlich sein und gewaltsame Konflikte zur Folge haben. Die Goldsuchenden stellen auch ein großes Gesundheitsrisiko dar, da eingeschleppte Krankheiten wie Malaria insbesondere für unkontaktierte Indigene lebensgefährlich sein können. Im Jahr 2018 forderten die Yanomami die Behörden auf, Berichte zu untersuchen, wonach Bergleute zwei Moxihatetea ermordet haben. Aber es wurden keine Bergleute zur Rechenschaft gezogen.
Aufgrund von Regierungskürzungen schloss FUNAI – die Abteilung für indigene Angelegenheiten der brasilianischen Regierung – ihre Basis in der Nähe der Moxihatetea. Ein Staatsanwalt hat FUNAI angewiesen, sie wieder zu öffnen.
Davi Kopenawa sagte: „Es gibt viele unkontaktierte Indigene. Ich kenne sie nicht, aber ich weiß, dass sie so leiden wie wir auch … Ich möchte meinen unkontaktierten Verwandten helfen, wir tragen das gleiche Blut in uns. Es ist sehr wichtig für alle Indigenen – auch die unkontaktierten – auf dem Land leben zu können, auf dem sie geboren wurden.“
Yanomami Widerstand und Organisation
Infolge des zunehmenden Kontakts und der Interaktion mit Außenstehenden und angesichts schwerer Angriffe auf ihre Rechte haben die Yanomami regionale Organisationen gegründet, um sich für ihre Rechte einzusetzen. Im Jahr 2004 trafen sich Yanomami aus 11 Regionen Brasiliens zur Hutukara (was soviel bedeutet wie „der Teil des Himmels, aus dem die Erde geboren wurde“), um ihre Rechte zu verteidigen und eigene Projekte anzustoßen. Yanomami in Venezuela gründeten 2011 ihre eigene Organisation namens Horonami und Yanomami in anderen Regionen beider Länder haben ähnliche Organisationen gegründet.
Wie hilft Survival
Survival unterstützt die Yanomami seit Jahrzehnten. Wir haben die internationale Kampagne zur Abgrenzung des Yanomami-Gebietes gemeinsam mit Davi Kopenawa und der Pro-Yanomami-Kommission (CCPY), einer brasilianischen Organisation, angeführt. Wir haben auch ihre Gesundheits- und Bildungsprojekte unterstützt. Wir kämpfen zusammen mit den Yanomami und den indigenen Völkern in ganz Brasilien dafür, dass ihre Gebiete von Invasionen befreit werden, damit sie überleben und so leben können, wie sie wollen. Bitte schließe dich uns an!
Werde für die Yanomami aktiv
- Sende der brasilianischen Regierung eine E-Mail, um ein Ende des Bergbaus und der Zerstörung des Yanomami-Gebietes zu fordern
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