Naturschutzflüchtlinge

Viele Vertreibungen waren brutal und geschahen mit geringer oder gar keiner Vorwarnung. Gemeinschaften die früher auf ihrem Land jagten, sammelten oder Vieh züchteten, fanden sich an den Grenzen ihrer Gebiete wieder. Wenn sie es wagten zurückzukehren, wurden sie als Wilderer und Kriminelle gebrandmarkt.

Ein Erklärung indigener Völker bei World Parks Congress 2003 fasste zusammen: „Erst wurden wir im Namen von Königen und Herrschern enteignet, später im Namen von staatlicher Entwicklung und jetzt im Namen von Naturschutz.“

Soliga-Jungen spielen auf einer Lichtung im Rangaswamy Temple Schutzgebiet © Shrenik Sadalgi/Survival

Eine Twa-Witwe aus dem Gebiet des Kahuzi-Biega Nationalparks in der Demokratischen Republik Kongo beschribe ihre Verteinung so:

„Wir wussten nicht, dass sie kommen. Dann brach auf einmal einer von ihnen die Tür unseres Hauses auf und begann zu schreien, dass wir auf der Stelle gehen müssten, weil der Park nicht unser Land ist. Ich habe zunächst nicht verstanden worüber er sprach, weil alle meine Vorfahren auf diesem Land gelebt hatten."

Folgen der Vertreibung

Für Gemeinden macht es keinen Unterschied, ob sie ihr Land an Naturschutzprojekte oder andere „Entwicklungsprojekte“ wie Bergbau und Dämme verlieren. Für ihre Gesundheit, Lebensgrundlage und Kultur bleiben die Folgen fatal.

Ehemals autark und unabhängig, werden Naturschutzflüchtlinge, die von ihrem Land und ihrer Lebensgrundlage getrennt werden, üblicherweise zu Empfängern von Almosen.

Das stürzt die betroffene Gemeinschaft in Armut und alles, was sie mit sich bringt – schlechte Gesundheit, schlechte Ernährung, Elend und mentale Krankheiten. Naturschutzflüchtlinge sehen sich häufig Rassismus und Diskriminierung durch die Behörden und/oder die nicht-indigene Bevölkerung, in die sie geworfen werden, ausgesetzt.

Viele © Salomé/Survival

Es sollte daher nicht überraschen, dass vertriebende indigene Gemeinden sich von den „ersten Naturschützern“ zu „Feinden des Naturschutzes“ wandeln, wie Massai-Sprecher Martin Saning’o es einer geschockten Gruppe von Umweltschützern beschrieb.

Gemeinschaften im Namen des Naturschutzes von ihrem Land zu trennen führt zu Armut, Missgunst und Wut. Alles Dinge, die auch Bemühungen um Naturschutz untergraben.

Die Menschen des Waldes

Die Wanniyala-Aetto oder „Menschen des Waldes“ aus Sri Lanka wurden aus ihrer ehemaligen Heimat vertrieben, die heute der Maduru Oya Nationalpark ist. 1983 erklärte die Regierung die traditionelle Lebensweise der Wanniyala-Aetto für illegal.

Die Wanniyala-Aetto haben bereits viel Land an Staudämme, Siedler und Holzfäller verloren. Maduru Oya war ihre letzte Zuflucht.

Tapal Bandialetto, ein Wanniyala-Aetto, sagt: „Wenn die nächste Generation hier wartet, werden sie das Trinken, Rauchen und Glücksspiel kennenlernen. All die falschen Dinge.“

„Sie müssen zurück in den Dschungel solange sie noch jung sind und zum traditionellen System zurückfinden. Wir hatten unser eigenes Gesundheits- und Bildungssystem. Es geht alles verloren.“

Ein knapper Ausweg

Die Mursi aus dem Omo-Tal in Äthiopien sind mit Mühe einem ähnlichen Schicksal entgangen.

Mursi-Mädchen, Äthiopien © Magda Rakita/Survival

2006 unterzeichnete die niederländische Organisation Africa Parks Foundation (APF) ein Abkommen mit der äthiopischen Regierung, welches APF de facto politische Macht erteilte und sie befähigte, die Mursi auf ihrem eigenen Land zu kriminalisieren.

Ein internationaler Aufschrei folgte und Survivals warnte APF in einem Brief, dass sie sich an der Verletzung der Rechte der Mursi und ihrer Nachbarn beteiligen würden. Kurz danach zog sich APF aus dem Park zurück.

Nicht vertrieben, aber ausgeschlossen

Viele indigene Völker verlieren durch ein neues Naturschutzgebiet nicht unbedingt ihr Dach über dem Kopf, aber den Zugang zu entscheidenden Stücken Land. Sie werden ausgeschlossen von heiligen Stätten oder Friedhöfen, sind nicht in der Lage auf medizinische oder heilige Pflanzen zuzugreifen und können keine ausreichenden Ressourcen für ihr tägliches Leben finden.

Plötzlich sind die Ressourcen, auf die ein indigenes Volk angewiesen war, tabu. Wenn sie im Park jagen werden sie zu „Wilderern“. Wenn sie die Ressourcen ernten, die sie bisher immer genutzt haben, können sie verhaftet oder eingesperrt werden.

Ein Soliga betet an einer der 487 heiligen Stätten im Rangaswamy Temple Schutzgebiet © Atree/Survival

Einige Naturschutzprojekte entschädigen sie mit „alternativen Möglichkeiten der Existenzsicherung“, aber zu oft berücksichtigen diese die Bedürfnisse und Werte der Indigenen nicht, erreichen nur wenige Familien und sind „zu wenig, zu spät“.

Vertreibungen beenden

Vertreibung oder Ausschluss der indigenen Völker von ihrem traditionellen Land ist moralisch und rechtlich falsch und hinterlässt schwere Schäden. Survival befürwortet daher den Bennett-Code, eine Selbstverpflichtung für Naturschutzorganisationen, die sie von der Arbeit in Gebieten abhält, aus denen indigene Völker vertrieben wurden.

Der Code eröffnet indigenen Gemeinden zudem die Möglichkeit rechtliche Schritte einzuleiten, wenn sie glauben von einer Naturschutzorganisation unrechtmäßig behandelt worden zu sein.

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