Die Sentinelesen

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Die Sentinelesen sind ein unkontaktiertes Volk, das auf North Sentinel Island im Indischen Ozean lebt. Sie lehnen jeden Kontakt mit Außenstehenden ab.

Survival International betreibt Lobbyarbeit, protestiert und übt öffentlichen Druck aus, um sicherzustellen, dass ihr Wunsch, unkontaktiert zu bleiben, respektiert wird.

Andernfalls könnte das gesamte Volk durch Krankheiten, gegen die es keine Abwehrkräfte hat, ausgelöscht werden.

Sentinelesen

Das isolierteste Volk der Welt 

Die Sentinelesen sind das isolierteste indigene Volk der Welt. Sie leben auf einer eigenen, bewaldeten Insel namens North Sentinel, die etwa so groß ist wie Manhattan ist. Sie ist Teil einer Inselkette, auf der auch ein weiteres unkontaktiertes Volk lebt – die Shompen. Sie lehnen jeglichen Kontakt mit Außenstehenden weiterhin ab und greifen jede Person an, die sich ihnen nähert. Mehr über Survivals Kampagnen zum Schutz unkontaktierter Völker erfährst du hier

© Indian Coastguard/Survival
Kurz nach dem Tsunami 2004 wurde dieses Mitglied der Sentinelesen fotografiert, wie es mit einen Pfeil auf einen Helikopter schoss.

Im März 2025 landete der amerikanische Social-Media-Influencer Mykhailo Viktorovych Polyakov illegal für wenige Minuten auf der Insel, um Kontakt mit den Sentinelesen aufzunehmen. Er sah zwar keine Menschen, ließ jedoch eine Dose Cola und eine Kokosnuss als „Opfergaben“ zurück. Anschließend wurde er von den indischen Behörden festgenommen und muss nun mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Sein leichtsinniger Versuch, Aufmerksamkeit in den sozialen Medien zu erlangen, hätte durch die Einschleppung neuer Krankheiten wie der Grippe – gegen welche die Sentinelesen keine Immunität besitzen – das gesamte indigene Volk auslöschen können.

Sein Verhalten erinnert an John Allen Chau, einen amerikanischen Missionar, der 2018 illegal auf der Insel landete und von den Sentinelesen getötet wurde, als er versuchte, sie zum Christentum zu bekehren. Ebenso wurden 2006 zwei indische Fischer, Sunder Raj und Pandit Tiwari, getötet, nachdem sie ihr Boot illegal in der Nähe von North Sentinel zum Schlafen festgemacht hatten. Das Boot hatte sich losgerissen und war an die Küste getrieben. Es ist bekannt, dass wildernde Personen in den Gewässern um die Insel illegal fischen, Schildkröten fangen und nach Hummern sowie Seegurken tauchen.

Die Sentinelesen haben immer wieder gezeigt, dass sie in Ruhe gelassen werden wollen – ihr Wunsch sollte respektiert werden. Benachbarte indigene Völker wurden durch Krankheiten und Gewalt ausgelöscht, nachdem die Brit*innen ihre Inseln kolonisiert hatten.

Survival International ist die einzige Organisation, die weltweit gegen die Vernichtung unkontaktierter Völker kämpft.

Nord Sentinel Insel, Zuhause der Sentinelesen von oben

Wie die Sentinelesen leben

Das meiste, was über die Sentinelesen bekannt ist, wurde durch Beobachtungen von Booten aus gesammelt, die in sicherer Entfernung – jenseits der Reichweite ihrer Pfeile – vor der Küste ankerten. In wenigen Ausnahmesituationen in der Vergangenheit erlaubten die Sentinelesen den Behörden, ihnen so nahe zu kommen, dass sie ihnen einige Kokosnüsse übergeben konnten. Wie sie sich selbst oder ihre Insel nennen, ist unbekannt – die benachbarten Onge nennen North Sentinel „Chia daaKwokweyeh“.

Die Sentinelesen jagen und sammeln im Regenwald und fischen in den Küstengewässern. Anders als das benachbarte Volk der Ang stellen sie Boote her – sehr schmale Auslegerkanus. Diese können nur in seichten Gewässern verwendet werden, da sie wie ein Stocherkahn mit einer Stange gesteuert und fortbewegt werden. Dass die Insel vollständig mit Regenwald bedeckt geblieben ist, gilt als ein weiteres Zeichen dafür, dass indigene Menschen die besten Naturschützer*innen der Welt sind.

Die Sentinelesen sind ein nomadisch lebendes Jäger- und Sammler*innen-Volk. Schätzungen zufolge leben sie in drei Gruppen mit insgesamt etwa 50 bis 150 Angehörigen. Sie haben zwei verschiedene Arten von Häusern: große Gemeinschaftshütten mit mehreren Feuerstellen für verschiedene Familien sowie temporäre, offene Unterstände ohne Seitenwände, die manchmal am Strand zu sehen sind und Platz für eine einzelne Familie bieten. Die Frauen tragen Faserbänder um die Taille, den Hals und den Kopf. Auch die Männer tragen Halsketten und Stirnbänder, jedoch mit einem breiteren Gürtel um die Taille. Sie führen Speere, Bögen und Pfeile mit sich.

© Survival International
Anders als andere Völker auf den Andamanen sind die Sentinelesen von guter Gesundheit

Obwohl sie in den Medien häufig als „steinzeitlich“ oder „präneolithisch“ bezeichnet werden, entspricht das eindeutig nicht der Wahrheit. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass die Sentinelesen seit Zehntausenden von Jahren in genau derselben Weise leben, wie es oft über indigene Völker auf den Andamanen- und Nikobareninseln behauptet wird. Ihre Lebensweise wird sich viele Male verändert und angepasst haben, wie das bei allen Völkern der Fall ist. Beispielsweise nutzen sie heute Metall, das angespült wurde oder das sie aus Schiffswracks auf den Riffen der Insel geborgen haben. Das Eisen wird geschärft und als Pfeilspitzen verwendet.

Soweit aus der Ferne beobachtet werden kann, sind die Sentinelesen offenbar äußerst gesund und leben in stabilen Verhältnissen – im deutlichen Gegensatz zu den indigenen Völkern der Großen Andamanen und Onge, denen britische Kolonialbeamt*innen versuchten, die „Zivilisation“ zu bringen. Die Menschen, die man am Ufer von North Sentinel beobachten konnte, wirkten stolz, kräftig und gesund. Immer wieder waren dabei auch viele Kinder und schwangere Frauen zu sehen.

Die Sentinelesen erregten internationales Aufsehen nach dem Tsunami im Indischen Ozean im Jahr 2004, als ein Angehöriger des indigenen Volkes auf einem Strand fotografiert wurde, wie er Pfeile auf einen Hubschrauber schoss, der nach ihrem Wohlergehen sehen sollte.

© Christian Caron – Creative Commons A-NC-SA
Die Sentinelese stehen an einem Inselstrand Wache.

Erschütternde Versuche der Kontaktaufnahme

Im späten 19. Jahrhundert landete M. V. Portman, der britische „Einsatzleiter der Andamanesen“, mit einer großen Mannschaft auf North Sentinel Island in der Hoffnung, Kontakt zu den Sentinelesen herzustellen. Die Gruppe bestand aus Fährtenlesenden anderer indigener Völker der Andamanen, die bereits durch die Brit*innen zwangskontaktiert wurden, sowie aus Beamt*innen und Häftlingen.

Die Gruppe fand erst kürzlich verlassene Dörfer und Pfade vor – doch die Sentinelesen waren nirgends zu sehen. Allerdings fanden sie das Skelett eines alten Mannes, das „in einem großen Eimer in sitzender Haltung in den Wurzeln eines großen Baumes versteckt war“. Es ist möglich, dass die Sentinelesen ihre Toten auf diese Weise begraben und ehren. Nach ein paar Tagen trafen sie auf ein älteres Paar und vier Kinder, die „im Interesse der Wissenschaft“ entführt wurden und nach Port Blair, der Hauptstadt der Inselgruppe, gebracht wurden. Wie vorauszusehen war, wurden sie bald krank und die Erwachsenen starben. Die Kinder wurden zusammen mit einigen Geschenken zurück zu ihrer Insel gebracht.

Es ist nicht bekannt, wie viele Sentinelesen als Resultat dieser „Wissenschaft“ erkrankten. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die Kinder ihre Krankheiten weitergaben und die Folgen verheerend waren. Es handelt sich hierbei um reine Spekulation, diese Erfahrung könnte jedoch die fortdauernde Feindseligkeit und Ablehnung gegenüber Außenstehenden erklären.

Portman reflektierte später selbstkritisch:

Man kann nicht sagen, dass wir mehr getan haben, als ihren allgemeine Schrecken vor und Feindseligkeit gegenüber allen Kommenden zu verstärken.
M.V. Portmann, Britischer Kolonialoffizier

Abgelehnter Kontakt

Während der 1970er Jahre unternahmen die indischen Behörden gelegentlich Ausflüge nach North Sentinel um zu versuchen, sich mit dem Volk anzufreunden. Diese Ausflüge fanden häufig auf Geheiß von Würdenträger*innen statt, die auf ein Abenteuer aus waren. Bei einem der Ausflüge wurden zwei Schweine und eine Puppe am Strand hinterlassen. Die Sentinelesen spießten die Schweine auf und vergruben sie zusammen mit der Puppe. In den 1980ern wurden solche Besuche häufiger. Die Mannschaften versuchten an einem Ort zu landen, der sich außerhalb der Reichweite der Pfeile befand, und hinterließen Geschenke wie Kokosnüsse, Bananen und Eisenstücke. Manchmal schienen die Sentinelesen mit freundlichen Gesten zu reagieren, andere Male nahmen sie die Geschenke mit in den Wald und schossen dann Pfeile auf die Kontaktgruppe.

© A. Justin, An. S.I.
Die Sentinelesen stellen schmale Auslegerkanus her.

1991 gab es scheinbar einen Durchbruch. Als die Beamt*innen auf North Sentinel ankamen, gab das Volk ihnen zu verstehen, ihnen Geschenke zu bringen. Angehörige der Sentinelesen kamen dann zum ersten Mal ohne ihre Waffen auf sie zu. Sie wateten sogar ins Wasser und zum Boot, um weitere Kokosnüsse einzusammeln. Diese freundschaftliche Interaktion hielt jedoch nicht lange an. Obwohl solche Geschenkbesuche für einige Jahre fortgeführt wurden, waren die Begegnungen oft gewalttätig und immer eine große Gefahr für alle Beteiligten. Hin und wieder zielten die Sentinelesen mit ihren Pfeilen auf die Kontaktgruppe, und einmal griffen sie ein Holzboot mit ihren Dechseln (einer Steinaxt für die Bearbeitung von Holz) an. Niemand weiß, warum die Sentinelesen ihre Feindseligkeit gegenüber den Kontaktdelegationen zunächst aufgaben und dann wieder aufnahmen, oder ob manche an Krankheiten starben, mit denen sie sich während dieser Besuche angesteckt hatten.

1996 wurden die regelmäßigen Geschenkbesuche beendet. Viele Beamt*innen begannen infrage zu stellen, ob es ratsam wäre zu versuchen, ein Volk zu kontaktieren, das gesund und zufrieden ist und das seit Tausenden von Jahren auf eigenen Füßen steht und gut und erfolgreich lebt. Freundschaftlicher Kontakt hatte völkermörderische Folgen für die benachbarten Völker der Onge und der Großen Andamanesen, dessen Populationen um 85 % bzw. 99 % abnahmen. Anhaltender Kontakt mit den Sentinelesen hätte höchst wahrscheinlich ähnlich schreckliche Konsequenzen.

In den folgenden Jahren wurden nur gelegentlich Besuche unternommen – wieder mit gemischten Reaktionen. Nach dem Tsunami 2004 machten Beamt*innen zwei Besuche, um aus der Distanz heraus sicherzustellen, dass es dem Volk gut zu gehen schien und es in keiner Weise Not litt. Im Anschluss erklärten sie, dass keine weiteren Versuche unternommen würden, die Sentinelesen zu kontaktieren.

Nach einer Kampagne von Survival und lokalen Organisationen gab die indische Regierung schließlich alle Pläne auf, Kontakt zu den Sentinelesen aufzunehmen. Ihre derzeitige Haltung ist nach wie vor, dass keine weiteren Versuche unternommen werden, mit ihnen in Kontakt zu treten.

Die Besuche wurden von der Regierung eingestellt. Wir wollten ihr Leben nicht ohne Grund stören. Die Sentinelesen sind kein aggressives Volk, sie greifen ihre Nachbar*innen nicht an, sondern verteidigen nur ihre Insel. Die Regierung ist entschlossen, den Status quo zu bewahren. Ich unterstütze diese Politik voll und ganz.
TN Pandit, ehemaliger Direktor der Anthropologischen Gesellschaft Indiens

Alle Besuche auf North Sentinel sind inzwischen streng verboten, und die indische Marine sowie die Küstenwache patrouillieren in einer Pufferzone rund um die Insel, um zu verhindern, dass Außenstehende zu nahe kommen.

Ein Großprojekt nach „John Allen Chau-Art“ auf Groß Nikobar?

Die Sentinelesen sind das isolierteste indigene Volk des Planeten, aber ihre Nachbar*innen, die Shompen, gehören ebenfalls zu den isoliertesten. Sie leben ausschließlich auf der Insel Groß Nikobar im südlichsten Teil der Inselgruppe der Andamanen und Nikobaren und lehnen jeden Kontakt mit Außenstehenden ab.

© Ministry of Ports, Shipping and Waterways
Visualisierung der indischen Regierung des geplanten Megahafens – nur eines von mehreren massiven Bauvorhaben, die zu einer weitreichenden ökologischen Zerstörung auf der Insel Groß Nikobar führen werden.

Während die indische Regierung allen Außenstehenden korrekterweise den Besuch von North Sentinel Island verbietet, könnten ihre Pläne für die Insel Groß Nikobar nicht unterschiedlicher sein: Sie plant, die Insel in das „Hongkong Indiens“ zu verwandeln.

Für dieses „Mega-Entwicklungsprojekt“ sollen über drei Millionen Bäume gefällt und durch einen Mega-Hafen, eine neue Stadt, einen internationalen Flughafen, ein Kraftwerk, einen Militärstützpunkt, einen Industriepark und bis zu 650.000 Siedler*innen ersetzt werden – ein Bevölkerungszuwachs von fast 8000 %. 

Die Gefahren, die dieses Projekt für die Shompen darstellt, sind gigantisch. Indem es den Kontakt erzwingt, Hunderttausende von Tourist*innen ausdrücklich ermutigt und das Risiko eines Völkermords an einem unkontaktieren Volk eingeht, ist dieses Projekt praktisch „John Allen Chau“ im Großformat. Die Regierung würde es niemals wagen, ein solches Megaprojekt auf dem Gebiet der Sentinelesen zu bauen, da sie weiß, dass es einen öffentlichen Aufschrei geben würde.

Im Februar 2024 schrieben 39 internationale Völkermordexpert*innen an den indischen Präsidenten und bezeichneten das Mega-Projekt als „Todesurteil für die Shompen, gleichbedeutend mit dem internationalen Verbrechen des Völkermords“. Sie forderten, das Mega-Projekt sofort aufzugeben. 

Werde für die Sentinelesen aktiv

Die Arbeit von Survival für die Sentinelesen konzentriert sich darauf, bei den indischen Behörden darauf zu drängen, Influencer*innen, Missionar*innen, wildernde Personen, illegal tätige Fischer*innen und andere daran zu hindern, auf und um ihre Insel zu gelangen, und sicherzustellen, dass die Behörden ihre Politik des Nicht-Kontakts aufrechterhalten. Mit deiner Unterstützung können wir dazu beitragen, die Rechte dieses unkontaktieren Volkes zu schützen. Es gibt viele Möglichkeiten, wie du helfen kannst:

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