Survivals Einsatz für einen Wandel im Naturschutz
Mit der Kampagne „Indigener Naturschutz“ fordert Survival ein neues Naturschutz-Modell, das anerkennt, dass indigene Völker die besten Naturschützer sind und das ihre Landrechte fördert, statt sie zu umgehen.
Von Beginn an hat sich „Naturschutz“ gegen indigene Völker gestellt, vor allem durch die Aneignung ihrer angestammten Gebiete und durch die Kriminalisierung ihrer Lebensweisen. Dazu zählt auch, dass lokale Bewohner an der Jagd nach Nahrung gehindert werden, um Wildtiere für Sport und Trophäenjagd zu erhalten.
Viele Naturschutzorganisationen verfolgen heute auf dem Papier eine „Indigenen-freundliche“ Politik, doch leider spiegelt sich dies in den Projektgebieten kaum wider. Das Land und Leben indigener Völker wird durch die Naturschutz-Industrie, Tourismus und große Unternehmen zerstört.
Wir kämpfen gegen diese Misshandlungen. Wir wissen, dass indigene Völker sich besser um ihre Umwelt kümmern als jeder andere. Deshalb haben wir uns auf ein sehr ambitioniertes Projekt eingelassen, mit dem wir Naturschützer endlich dazu bringen wollen, internationale Standards bei Menschenrechten und für den Umgang mit indigenen Völkern einzuhalten. Wir glauben, dass wenn dies erreicht werden kann, die resultierende Partnerschaft einer der wichtigsten Schritte nach vorn in der Geschichte ernstgemeinten Naturschutzes sein wird.
In seiner gegenwärtigen Form scheitert „Naturschutz“ oft: Viele Ökosysteme kann er nicht schützen und er fügt Menschen Schaden zu. Der Schlüssel zu seinem Scheitern liegt darin, dass das wohlwollende Bild, das der Öffentlichkeit in industrialisierten Ländern gezeigt wird, nichts damit zu tun hat, wie „Naturschutz“ vor Ort wahrgenommen wird: Lokal sieht man „Naturschutz“ oft nur als eine andere Form des Kolonialismus, der von Landraub, aufdringlichem Tourismus (vermarktet als „nachhaltig“), Trophäenjagd, Biodiesel-Produktion und sogar Abholzung und Bergbau profitiert.
Hier beantworten wir einige der häufigsten Fragen.
Um welche Bereiche geht es Survival genau?
Wir beginnen mit den Baka-„Pygmäen“ in Kamerun, die routinemäßig und schwer von Parkwächtern misshandelt werden, die der World Wide Fund for Nature (WWF) finanziell unterstützt; Tiger-Schutzgebieten in Indien, die als Deckmantel für Landraub und Abholzung herhalten; den Buschleuten in Botswana, die von ihrem Land vertrieben werden – angeblich um Wildtiere zu schützen; und wir erzählen die wahre Geschichte hinter der Schaffung von Nationalparks und von dem Leid, das indigene Völker dadurch erlebt haben.
Braucht man nicht Schutzgebiete, um die Wildnis zu erhalten?
Es wird immer behauptet, dass das Land indigener Völker eine Wildnis sei – aber das ist falsch. Fast alle Naturschutzgebiete befinden sich auf dem angestammten Land indigener Völker, die Jahrtausende von diesem Gebiet gelebt haben, es geformt, verwaltet und kontrolliert haben. Welche Vorteile dies hatte, wird häufig erst jetzt verstanden. Zum Beispiel legten australische Aborigines absichtlich und regelmäßig Feuer, um die Artenvielfalt zu erhöhen und die großen und gefährlichen Brände zu verhindern, die den Kontinent heute plagen. Selbst die bekanntesten „Wildnis“-Zonen der Erde – beispielsweise Yosemite, Yellowstone und die Serengeti – waren einst die Heimat indigener Völker, die jedoch gewaltsam vertrieben wurden, als ihr Land in Schutzgebiete umgewandelt wurde. Nun sind diese Gebiete auf den Massentourismus und seine Geschäfte ausgerichtet.
Aber immerhin sind diese Gebiete jetzt geschützt, nicht wahr?
Bestimmte menschliche Aktivitäten in einigen Gebieten zu verhindern ist normal und würde sehr wahrscheinlich auch von indigenen Völkern unterstützt werden. Doch in vielen Naturschutzgebieten ist die augenscheinliche „Wildnis“ zumindest teilweise nur eine Kulisse: Wasserlöcher werden vor allem in der Nähe von Hotels gebohrt, um für Touristen Wildtiere anzulocken; Flächen werden geräumt, um Aussichtspunkte zu schaffen; Zäune, Straßen, Hotels und Camps, Landebahnen, Forschungszentren, Parkplätze usw. werden gebaut. Auf diese Weise ändern die Personen, die fordern, das Land „unberührt“ zu lassen, es mehr als je zuvor. Viele Nationalparks sind heutzutage keine leeren Gebiete mehr, die eingezäunt vor Eingriffen geschützt werden. Sie werden von Naturschützern vielmehr nach einem bestimmten Bild geformt und erleben oft weit mehr menschliche Aktivitäten als jemals zuvor.
Aber Naturschutz hat die Ausrottung von Arten verhindert, ist das nicht gut?
Natürlich! Die massive Jagd auf Großwild, die Europäer in Indien und Afrika abhielten, ist heute stärker kontrolliert (obwohl Jagdlizenzen noch immer verkauft werden). Doch die gleichen Arten, die schon vor einer Generation bedroht waren, sind es noch immer. Der WWF sagt, dass die Erde in den letzten 50 Jahren die Hälfte ihrer Tier- und Pflanzenwelt verloren hat. Naturschutz funktioniert einfach nicht und dies zum Teil deshalb, weil er die lokale Bevölkerung gegen sich aufbringt. Naturschutz wird nicht funktionieren, bis er diese Menschen auf seine Seite zieht; doch das wird nicht passieren, wenn Naturschutz weiterhin dafür verantwortlich ist, dass sie misshandelt werden.
Was halten indigene Völker von Naturschutz?
Survival behauptet nicht, indigene Völker zu vertreten, aber es ist offensichtlich, dass manche es als eines ihrer größten Probleme ansehen. Einige Indigene arbeiten im Naturschutz – häufig auf der niedrigsten Ebene, wo sie Shows für Touristen organisieren oder als Bedienstete in Unterkünften arbeiten. Einige fühlen sich eingeschüchtert und nur wenige profitieren davon.
Welche Belege gibt es dafür, dass Naturschutzorganisationen in Trophäenjagd verwickelt sind?
Die Entwicklung der Naturschutz-Idee im 19. und frühen 20. Jahrhundert war eng verknüpft mit Trophäenjagd und noch immer zieht Naturschutz daraus Vorteile. Der WWF nennt es ein „legitimes Instrument“, einen „Anreiz“ zum Naturschutz und in manchen Situationen sogar die beste verfügbare Option. Der WWF hat die Gebietsaufteilung in Kamerun unterstützt, zu der auch die Schaffung von lizensierten Jagdgebieten gehörte.
Die International Union for the Conservation of Nature (IUCN), die weltweit größte Naturschutzorganisation, unterstützte eine Auktion zur Jagd auf Nashörner und erklärte, dass „Trophäenjagd eine fundamentale Säule von Namibias Naturschutzansatz ist und zentral für dessen Erfolg“. Mehrere Schlüsselpersonen im Naturschutz, darunter der ehemalige König von Spanien (Ex-Ehrenpräsident, WWF-Spanien), der Herzog von Edinburgh (Ex-Präsident, WWF International) und sein Enkel Prinz Harry (Botschafter, United for Wildlife) waren selbst Trophäenjäger. Die Ansicht, dass diese Jäger die besten Naturschützer sind, hält sich seit langem. Zur gleichen Zeit werden jedoch indigene Jäger als „Wilderer“ bezeichnet, weil sie für ihren Lebensunterhalt jagen. Ihnen drohen Festnahmen, Schläge, Folter und sogar Tod, während zahlende Großwildjäger willkommen geheißen werden.
Aber manche Indigene wildern oder helfen „organisierten“ Wilderern!
Vielleicht an manchen Orten, aber es ist wichtig den Hintergrund dafür zu kennen. Die erste Rechtsverletzung tritt ein, wenn Regierungen und Naturschutzorganisationen das angestammte Land indigener Völker rauben und ihre Subsistenzwirtschaft verbieten. Als Nächstes beginnt die Verfolgung der Indigenen durch jene, die entschlossen sind, sie aus dem Gebiet fern zu halten. Doch wenn sie ihrer Lebensgrundlage beraubt sind, ist es wenig überraschend, dass „organisierte“ Wilderer Indigene rekrutieren können.
Doch manchmal ist dies auch nur eine fabrizierte Anschuldigung, mit der Regierungen und Naturschützer ihre illegalen Handlungen rechtfertigen (wie offensichtlich in Botswana).
Wäre es nicht schwierig und teuer indigene Völker angemessen und fair in Naturschutzvorhaben auf ihrem Land einzubinden?
Es gibt Hunderte, vielleicht Tausende Organisationen, die nach eigenen Angaben für die Umwelt arbeiten. In nur 24 Stunden nimmt Conservation International 290.000 US-Dollar ein, IUCN über 320.000 US-Dollar, der WWF 2 Millionen US-Dollar und The Nature Conservancy sogar 2,6 Millionen US-Dollar: Es gibt wohl kaum einen Mangel an Ressourcen. Würden diese Gelder angemessen eingesetzt – in einer echten und gleichberechtigten Partnerschaft mit indigenen Völkern – würde sich wohl sehr schnell zeigen, dass Indigene effizientere und bessere Hüter ihres Landes sind als sonst irgendwer. Es gibt zahlreiche Belege, die zeigen, dass die sparsamste Methode zum Schutz der Umwelt darin besteht, die Kontrolle indigener Völker über ihr Land zu sichern. Es sind die Gebiete, über die sie mehr wissen als jeder andere.
Übersieht Survival damit nicht die komplexe Realität von Machtgefälle und Rassismus, die in Naturschutzzonen gegen indigene Völker arbeitet?
Nein, wir erkennen sie an und versuchen sie zu ändern. Viel zu oft akzeptieren Naturschutzorganisationen diese Dinge – verstärken sie sogar – oder entwickeln unwirksame Projekte, die nicht mehr versuchen als die Folgen abzuschwächen.
Survivals Kritik an Naturschutz wurde schon als Werbemasche bezeichnet. Stimmt das?
Nein, wahrscheinlich sehen sich die meisten unserer Unterstützer selbst als Naturschützer. Indem wir die Mängel im Naturschutz zeigen, riskieren wir diese Unterstützer zu verlieren und von einflussreichen Naturschutzorganisationen und ihren Geschäftspartnern attackiert zu werden. Einige Organisationen zählen zu den weltweit geachtetsten „Marken“ und wir wissen, dass es schwierig ist, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass sie sich ändern müssen. Zudem ist die Kritik an solchen Organisationen – die oft zu rechtlichen Schritten greifen, wenn sie sich bedroht fühlen – nur selten Thema in den Medien. Wir stehen vor einer schwierigen, aber sehr wichtigen Aufgabe.
Wie kann Survival behaupten, dass indigene Völker die besten Naturschützer sind?
Survival macht diese Behauptung nach einer vorsichtigen Analyse der Belege – von denen viele erst in den letzten Jahren erschienen sind. Dazu zählen Satellitenbilder aus dem Amazonasgebiet und anderen Regionen, die deutlich zeigen, dass indigene Gebiete am stärksten bewaldet bleiben; Zahlen zu der Wildtierpopulation in der Kalahari, die zeigen, dass die Buschleute entgegen anderer Behauptungen nicht überjagen; Studien zu regelmäßig durch indigene Völker verursachte Unterholzbrände, Wanderfeldbau und Jäger-und-Sammler-Aktivitäten, die die Artenvielfalt erhöhen; Studien zu den destruktiven Folgen von invasiven Arten, die sich leichter ausbreiten können, wenn indigene Völker vertrieben werden; Untersuchungen auf Rapa Nui (Osterinsel), die frühere Studien zur Abholzung als wahrscheinlich falsch widerlegen; Zahlen zu Tigerpopulationen, die in Gebieten, aus denen indigene Völker nicht vertrieben wurden, höher sind; und zahllose Aussagen von Indigenen selbst.
Was denken andere Organisationen?
Selbst Berichte von Organisationen, die an der Vertreibung indigener Völker beteiligt waren, unterstützen diese Sichtweise. Die Weltbank war in den letzten Jahrzehnten eine der zerstörerischsten Kräfte, doch sogar eine ihrer Studien zeigt geringe Abholzung in Gebieten, in denen indigene Völker leben. Der WWF schätzt, dass 80 Prozent der weltweit artenreichsten „Ökoregionen“ von indigenen Völkern bewohnt werden, was die „Wirksamkeit indigener Systeme zum Ressourcenmanagement“ zeigt.
Ist das nicht einfach nur wieder mehr vom „edlen Wilden“?
Nein, es ist was die Beweise zeigen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass indigene Völker eine tiefere Bindung an die „Natur“ haben als industrialisierte Gesellschaften. Ihre Umgebung ist für sie nicht nur Heimat, sondern auch die Quelle von Baumaterialien, Essen, Medizin, Kleidung und allem Weiteren, was ihre Familien zum Überleben benötigen. Sie leben größtenteils selbstversorgend und sind für ihr Überleben auf ihr Land angewiesen: Es ist ihr Unterschlupf, ihr Supermarkt, ihr Tempel und ihr Krankenhaus. Mehr als bei anderen hängen ihre Gesundheit, ihr Wohlstand und ihr Überleben von ihrer Umwelt ab, was sie zu den besten Naturschützern und Wächtern der natürlichen Welt macht. Dies sind die Fakten, die industrialisierte Gesellschaften über Generationen mit dem Ruf nach dem „edlen Wilden“ herabgewürdigt haben.
Weitere Informationen finden Sie unter www.survivalinternational.de/wildnis