Zeitstrahl: Geschichte der Yanomami
1940 – 1960er Jahre
Erster dauerhafter Kontakt mit Außenstehenden: Der SPI (Serviço de Proteção ao Indio – Schutzdienst für Indianer) richtet Posten in dem Gebiet ein; außerdem gründen katholische und protestantische Missionierende eine Mission. Yanomami werden Opfer erster Epidemien und erkranken an Grippe, Masern und Keuchhusten.
1968
Dr. Kenneth Taylor, später Direktor von Survival International in den USA, beginnt seine Feldarbeit mit Yanomami (Sanuma-Gruppe). Er ist später Co-Autor des ersten detaillierten Plans für ein Yanomami-Schutzgebiet und stellt ihn der brasilianischen Regierung vor. Der Plan wird übergangen.
1973 – 1976
Brasiliens Militärregierung beginnt mit dem Bau einer Fernstraße durch den Norden des Landes und dringt dabei tief in Yanomami-Land ein. Mit katastrophalen Folgen: Zwei Yanomami-Gemeinden auf dem Verlauf der Straße werden fast vernichtet infolge von Krankheiten, die Bauarbeiter einschleppen. Die Yanomami in diesem Gebiet erleiden einen drastischen Bevölkerungsrückgang. Die nur zum Teil gebaute Fernstraße wird 1976 aufgegeben.
1974
Survival beginnt mit der Finanzierung eines Gesundheitsvorsorge-Programms für Yanomami in Venezuela.
1980s
Er heiratet Fátima und zieht nach Watoriki. Treffen mit Mitgliedern der NGO CCPY, die sich für die Landrechte der Yanomami einsetzt.
1975
Erstes Eindringen von Schürfern, die nach Zinnerz suchen.
1978
Brasiliens Regierung beabsichtigt, das Yanomami-Gebiet in 21 getrennte Landstücke aufzuspalten; sollte der Plan angenommen werden, würde er die Zerstörung der Yanomami bedeuten. Aufgrund des Drucks von Nichtregierungsorganisationen, welche die Indigenen unterstützen, wird der Plan zurückgestellt. In Brasilien wird die
CCPY (Pro Yanomami Commission) gegründet, um die Landrechte der Yanomami zu verteidigen.
1978 – 1979
Landwirtschaftliche Projekte sorgen für den Zuzug von Siedler*innen, die sich in der Nähe von Yanomami-Land niederlassen.
1979
Survival veröffentlicht den ersten von zahlreichen Berichten, die zu umgehendem Handeln aufrufen und bittet Unterstützer*innen, sich bei der brasilianischen Regierung für die Landrechte der Yanomami einzusetzen. Die CCPY legt einen neuen Plan für ein Yanomami Schutzgebiet vor.
1980er Jahre
Die Nachricht verbreitet sich, dass auf dem Land der Yanomami reiche Bodenschätze liegen würden. Eine Zunahme an Eindringlingen ist die Folge.
1980
Erstmals richtet Survival, zusammen mit zwei anderen Organisationen, eine formale Beschwerde gegen Brasiliens Regierung an die OAS (Organisation of American States). 1985 verurteilt die OAS die Regierung und mahnt sie, ein Schutzgebiet für die Yanomami zu schaffen.
1982
Survival legt den Vereinten Nationen erstmals den Yanomami-Fall vor.
1984
Survival beteiligt sich durch seine französische Sektion an der Finanzierung einer Impfkampagne, welche die Organisation Médecins du Monde für die CCPY durchführt. Die Kampagne wird fortgesetzt, bis die Teams von der brasilianischen Regierung 1985 bis 1987 vertrieben werden.
1985
Die erste Militär-Basis auf Yanomami-Gebiet wird errichtet. Weitere Basen folgen. Diese führen zu Spannungen mit den lokalen Yanomami-Gemeinden, da Soldaten sich an Yanomami-Frauen vergehen und Geschlechtskrankheiten verbreiten.
1986
Ein neuer Goldrausch beginnt.
1987 – 1990
Schätzungsweise 40.000 Goldsucher arbeiten inzwischen illegal innerhalb des Yanomami-Gebietes. Durch sie verbreiten sich Malaria und Grippe, gegen welche die Yanomami nicht resistent sind. Bis zu 90 illegale Landebahnen werden gebaut. Die Verwendung von Quecksilber zur Scheidung des Goldes führt zur Vergiftung zahlreicher Flüsse und der darin lebenden Fische. Die Yanomami trinken das Wasser und essen die Fische.
1987 – 1993
Schätzungsweise 20 % der Yanomami sterben an Infektionen der Atemwege, Unterernährung und an Malaria, welche die Goldsucher eingeschleppt haben.
1988
Die Regierung ordnet an, dass das Land der Yanomami in 19 voneinander getrennte Stücke aufgeteilt wird. Es handelt sich um eine fast identische Wiederaufnahme des Plans von 1978. 70 % des Landes der Indigenen würde nach diesem Plan schlicht wegfallen. Survival reagiert mit koordinierten Demonstrationen vor den Botschaften Brasiliens in 20 Ländern. Diese sind im brasilianischen Fernsehen ausführlich zu sehen. Die Mahnmachen werden in den kommenden drei Jahren fortgesetzt.
1989
Survival erhält den „Right Livlihood Award“ (auch „Alternativer Nobelpreis” genannt) und lädt den Yanomami-Anführer Davi Kopenawa nach Großbritannien und Schweden ein, um den Preis stellvertretend entgegenzunehmen. Es ist das erste Mal, dass ein Sprecher der Yanomami Brasilien verlässt. Kopenawas Reise zieht großes Interesse der Medien und der internationalen Öffentlichkeit auf sich. Auf Bitte der Yanomami richtet Survival einen medizinischen Nothilfefonds ein, um das Gesundheitsvorsorgeprojekt der CCPY zu unterstützen, das dringend Geld benötigt. Über mehrere schwierige Monate hinweg handelt es sich um die einzig erhältliche Finanzierung für das Projekt.
1990er Jahre
Aufgrund wachsenden Drucks in Brasilien und auf internationaler Ebene – Prince Charles spricht von einem „entsetzlichen Muster kollektiven Genozids“ – unternimmt die brasilianische Regierung mehrere Versuche, die illegalen Schürfer zu vertreiben. Viele von ihnen kehren allerdings heimlich wieder zurück.
1991
Brasiliens Präsident Collor de Mello kündigt an, seine Regierung werde das gesamte Land der Yanomami (96.000 km²) abgrenzen.
1992
Das Gebiet der Yanomami wird abgegrenzt, kurz bevor Brasilien als Gastgeber des ersten UN Umweltgipfels der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro auftritt. Mit mehr als 96.000 km² handelt es sich um das größte indigene Einzelgebiet in Brasilien. Zusammen mit dem Gebiet, das Yanomami in Venezuela bewohnen, ist es das größte indigene Gebiet in tropischem Regenwald weltweit.
1993
16 Yanomami, überwiegend Ältere und Kinder, werden in der Gemeinde Haximú von Goldsuchern massakriert. 22 Goldsucher werden festgenommen.
1995
Auf Bitte von Davi Yanomami beginnt die CCPY mit Yanomami-Gemeinden ein bilinguales Bildungsprojekt, das von Survival unterstützt wird. Ziel ist es, den Yanomami zu helfen, ihre Rechte selbst zu verteidigen.
1996
Fünf Goldsucher werden des Genozids für schuldig befunden und erhalten für das Haximú-Massaker Gefängnisstrafen von 19 bis 20 Jahren.
1999
Urihi, eine Nichtregierungs-Organisation, die von CCPY-Mitgliedern gebildet wird, soll die Gesundheitsvorsorge für die Yanomami sicherstellen. Yanomami selbst werden als medizinisches Personal ausgebildet. Dank der dauernden Anwesenheit von Gesundheitsteams in der Gegend nehmen Fälle von Malaria ab.
2000
Ein Tribunal in Brasilien bestätigt, dass die wegen Genozids verurteilten Goldsucher das Recht haben, Berufung einzulegen.
2003
Siedlungsexpansion auf Yanomami-Land. Die Brandrodungen der Siedler*innen führen zu einem Austrocknen des Waldes, was verheerende Brände verursacht.
2004
Urihi stellt die Arbeit ein, da die Regierung die Gesundheitsvorsorge übernimmt. Die Folge ist Chaos; Malaria breitet sich erneut aus.
Yanomami bilden ihre eigene Organisation, Hutukara.
2006
Brasiliens Oberster Gerichtshof bestätigt das Urteil, dass fünf Goldsucher wegen des Haximú-Massakers des Völkermords schuldig sind.
2007
Indigene Anführer, darunter Davi Kopenawa Yanomami, sprechen sich gegen einen Plan des brasilianischen Kongresses aus, der vorsieht, indigene Gebiete für den Bergbau zu öffnen.
2008
Mitglieder von Hutukara besprechen bei einem Treffen mit dem brasilianischen Gesundheitsminister die Gesundheitskrise. Später kündigt die Regierung die Schaffung eines neuen Sekretariats für indigene Gesundheit an.
2009
Goldsucher ermorden einen Angehörigen der Yekuana, der sich geweigert hatte, sie in das Yanomami-Gebiet mitzunehmen, um dort nach Gold zu suchen. Die Yanomami-Gemeinden verurteilen weiterhin die Anwesenheit von schätzungsweise 1.000 Goldsuchern, die illegal auf ihrem Land arbeiten.
Dezember 2011
Yanomami in Venezuela bilden ihre eigene Organisation,Horonami. FUNAI schließt einen Schutzposten in der Nähe einer unkontaktierten Yanomami-Gemeinschaft.
Oktober 2012
Survival wird von Hutukara eingeladen, 20 Jahre Abgrenzung des Territoriums zu feiern.
März 2013
Yanomami in Venezuela verurteilen Pläne, die es der chinesischen CITIC-Gruppe erlauben sollen, Bergbau auf ihrem Land zu betreiben.
November 2013
The Falling Sky – das erste Buch eines Yanomami-Schamanen – von Davi Kopenawa und Bruce Albert erscheint.
Februar 2014
Die Regierung startet eine Operation, um illegale Goldsucher aus dem Gebiet der Yanomami zu entfernen.
Dezember 2014
FIOCRUZ-Forschende finden gefährliche Quecksilberverunreinigungen in Yanomami- und Yekuna-Gemeinden, die in der Nähe von Goldminen leben.
November 2016
Hutukara und Survival veröffentlichen Fotos von unkontaktierten Yanomami in der Nähe einer illegalen Goldmine.
April 2018
Hutukara verurteilt die Invasion von 5.000 Bergleuten und berichtet von zwei unkontaktierten Yanomami, die von Bergleuten ermordet wurden. Eine tödliche Masern-Epidemie trifft die Gemeinden.
April 2019
Yanomami veröffentlichen eine Videobotschaft an Bolsonaro, die sich gegen seinen Plan wendet, ihr Land für den Bergbau zu öffnen. Hutukara schätzt, dass es dort 20.000 Bergleute gibt.
„Warum kämpfe ich noch immer? Weil ich lebe. Ich glaube an meinen Kampf. Ich kämpfe für die Jungen, für die Kinder… dafür, dass meine Leute möglichst nicht mehr so jung sterben müssen.“
Davi Kopenawa, Yanomami, Brasilien