Im Dezember 2022 haben Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfeltreffen der Biodiversitätskonvention (COP 15) vereinbart, 30 % der Erde bis zum Jahre 2030 in „Schutzgebiete“ umzuwandeln.
Die großen Naturschutzorganisationen behaupten, dass dies den Klimawandel eindämmen, den Schwund von Wildtieren stoppen, die Artenvielfalt erhöhen und so unsere Umwelt retten wird. Das stimmt nicht.
Naturschutzgebiete werden unseren Planeten nicht retten. Vielmehr werden sie menschliches Leid vergrößern und somit Ablehnung schüren, die den Druck auf die Gebiete, die sie eigentlich schützen sollen, vergrößert. Sie haben keinerlei positiven Auswirkungen auf den Klimawandel und sie können den Verlust der Tierwelt im Allgemeinen kaum verhindern.
Es ist entscheidend, dass echte Antworten zur Lösung dieser dringenden Probleme gegeben werden und dass die eigentlichen Ursachen – die profitgetriebene Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der wachsende, im Globalen Norden beheimatete Überkonsum – benannt und diskutiert werden. Dies ist jedoch unwahrscheinlich, weil es zu viele Beteiligte mit persönlichen Interessen gibt, die gerade auf die bestehenden Konsumgewohnheiten angewiesen sind, um den Status quo - von dem sie profitieren - aufrechtzuerhalten.
Wer wird darunter leiden, wenn 30% der Erde “geschützt” sind? Es werden nicht diejenigen sein, die die Klimakrise hauptsächlich verursachen, sondern die indigene und lokale Bevölkerung im Globalen Süden, die wenig oder gar nicht zur Umweltzerstörung beiträgt. Ihre Vertreibung im Namen des „Naturschutzes“ wird dem Klima nicht helfen: Indigene Völker sind die besten Naturschützer und ein unverzichtbarer Teil der menschlichen Vielfalt, die entscheidend für den Erhalt der biologischen Vielfalt ist.
Wir müssen diesen Vorstoß, 30% der Erde in „Schutzgebiete“ umzuwandeln, stoppen.
Die Wahrheit über „Schutzgebiete“
In vielen Teilen der Welt bedeutet ein „Schutzgebiet“ nur, dass die Menschen, die dort ursprünglich lebten, nicht mehr geduldet werden. Die indigene Bevölkerung, die das Land seit Generationen als Zuhause ansieht, darf dort nicht mehr wohnen oder das Land nutzen, um ihre Familien zu ernähren, Heilpflanzen zu sammeln oder ihre heiligen Stätten zu besuchen. Diese Praxis entspricht der Schaffung der ersten Nationalparks der Welt im 19. Jahrhundert in den USA - auf genau dem Land, das den indigenen Völkern Nordamerikas gestohlen wurde. Die überlebenden Native Americans, die die artenreiche „Wildnis“ überhaupt erst erschaffen hatten, wurden in Landlosigkeit und Armut getrieben.
Diese Schicksal widerfährt indigenen Völkern und anderen Gemeinden in Afrika und Teilen Asiens auch heute noch. Die lokale Bevölkerung wird durch Gewalt, Zwang und Bestechung aus ihren angestammten Gebieten vertrieben. Die Menschen werden von Park-Rangern geschlagen, gefoltert und misshandelt. Sie versuchen dabei nur, zu jagen, um ihre Familien zu ernähren, oder Zugang zum Land ihrer Ahnen zu erhalten. Die besten Hüter des Landes, einst selbstversorgend und mit dem kleinsten ökologischen Fußabdruck von uns allen, enden in landloser Armut und tragen schlussendlich häufig zur Überbevölkerung der Städte bei. In der Regel werden diese Projekte von westlichen Naturschutzorganisationen finanziert und umgesetzt. Sobald die lokale Bevölkerung weg ist, werden Tourist*innen und die Rohstoffindustrie hofiert. Aus diesen Gründen nimmt der Widerstand der Einheimischen gegen diese „Schutzgebiete“ zu.
Warum sollten wir uns gegen diese Pläne wehren?
Die Verdoppelung der „geschützten“ Fläche auf 30% der Erde wird dafür sorgen, dass sich die genannten Probleme drastisch verschlimmern. Da die Regionen mit der größten Artenvielfalt diejenigen sind, in denen indigene Völker leben, werden es die ersten Gebiete sein, die von der Naturschutzindustrie ins Visier genommen werden. Es wird der größte Landraub in der Geschichte sein und wird Hunderten von Millionen von Menschen die Lebensgrundlage entreißen - alles im Namen des Naturschutzes. Die Schaffung von Schutzgebieten erfolgt selten mit der Zustimmung der indigenen Gemeinschaften – die jedoch grundlegend ist für die Wahrung der Menschenrechte indigener Völker. Es gibt keine Indizien dafür, dass dies in Zukunft anders sein wird. Weitere „Schutzgebiete“ werden wahrscheinlich zu noch mehr Militarisierung und weiteren Menschenrechtsverletzungen führen.
Die Idee des „Festungsnaturschutzes“ - Schutzgebiete als Bollwerk gegen die lokale Bevölkerung - hat einen kolonialen Charakter. Sie schädigt die Umwelt und wurzelt in rassistischen und ökofaschistischen Vorstellungen darüber, welche Menschen mehr oder weniger wert sind und welche Menschen vertrieben, in die Armut gedrängt, angegriffen und getötet werden können.
Die Naturschutzindustrie erhofft sich jährlich 140 Milliarden Dollar zur Finanzierung ihrer Landnahme.
Was schlagen wir vor?
Wir müssen diese große grüne Lüge bekämpfen und die Rechte indigener Völker respektieren.
Wenn wir den Verlust der biologischen Vielfalt ernsthaft bremsen wollen, ist die billigste und bewährteste Methode, so viel indigenes Land wie möglich zu schützen. Achtzig Prozent der biologischen Vielfalt des Planeten befinden sich in indigenen Gebieten.
Für indigene Völker, für die Natur und für die gesamte Menschheit.
Weitere Informationen zu der Landnahme von 30% der Erde:
- Statement von Survival International zur COP15-Abschlusserklärung
- „Our land, our nature“ - Kongress zur Dekolonialisierung des Naturschutzes: Teil 1, Teil 2, Pressekonferenz
- „Marseille Manifest: Ein menschliches Manifest für die Zukunft des Naturschutzes“
- Mapping For Rights: The 'Post-2020 Global Diversity Framework'
- New Deal for Nature: Den Kaiser dafür bezahlen, den Wind zu fangen
- Tribal-Voice-Videos zum Thema Naturschutz
- Gemeinsame Erklärung zivilgesellschaftlicher Organisationen zum 30%-Ziel