Die Awá: Fragen? Antworten!

Takwarentxia und sein Haustier-Affe, Juriti-Gemeinde, Brasilien. © Fiona Watson/Survival

Was meint Survival, wenn vom “bedrohtesten Volk der Welt” die Rede ist?

Es gibt etwa 360 kontaktierte Awá und Schätzungen zufolge nochmals 70 bis 100 weitere, die unkontaktiert, das heißt ohne friedlichen Kontakt zur Außenwelt, leben. Dass die Awá ein so kleines Volk sind, stellt bereits ein Risiko dar. Hinzukommt, dass gerade unkontaktierte Gruppen zu den verletzlichsten der Welt zählen: Ständig drohen feindselige Begegnungen und eingeschleppte Krankheiten könnten eine tödliche Gefahr sein.
Für die Awá ist es besonders dramatisch: Ihr Wald wird schneller gerodet als jedes andere Gebiet unkontaktierter Gruppen und sie sind komplett von Holzfällern und Viehzüchtern umzingelt. Nachdem alles rund um das Gebiet der Awá abgeholzt wurde, versuchen die Holzfäller das gleiche nun innerhalb ihres Landes. Im Unterschied zu anderen unkontaktierten Völkern im Amazonasgebiet, können die Awá jedoch nirgendwohin fliehen. Es gab auch wiederholt Berichte, dass Awá von Holzfällern und Viehzüchtern umgebracht wurden. Da die unkontaktierten Awá keine festen Häuser bauen (die man aus der Luft beobachten könnte) und weil Begegnungen nicht gemeldet werden, gibt es dazu jedoch keine neueren bestätigten Angaben. Die Holzfäller machen sich schon mit dem Betreten des Reservats strafbar und könnten auf Untersuchungen vor Ort gewalttätig reagieren.

Warum sagt Survival, dass die Awá einem Genozid gegenüber stehen?

Sogar ein brasilianischer Richter hat dies schon gesagt. Die Definition des Genozids durch die Vereinten Nationen – “die Absicht eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören” – kann im Fall der Awá eindeutig angewandt werden: Die Holzfäller und Viehzüchter in der Umgebung haben deutlich gemacht, dass sie die Indianer loswerden wollen. Zwar wären, selbst wenn alle Awá umgebracht oder als Folge der Abholzung oder der Viehzucht sterben würden, “nur” ein paar hundert Menschen betroffen. Doch zu Unrecht glauben viele, dass es sich bei einem Genozid immer um Millionen Menschen handelt. Diese Interpretation ist rechtlich irrelevant und diskriminiert zahlenmäßig kleinere Amazonas-Völker.

Trägt Survivals Darstellung nicht zum Bild des “edlen Wilden” bei? Warum beginnt der Film mit dem Wort “Paradies”?

Für Indigene sind die Folgen des Kontakts und des Verlusts ihres Landes im besten Fall Armut, oft mit Alkoholismus verbunden, und im schlimmsten Fall Selbstmord oder Tod. Es ist nicht unüblich, dass 50 Prozent (oder mehr) der Angehörigen eines Volkes die ersten paar Jahre nach der Kontaktaufnahme nicht überleben. Im Vergleich führen diejenigen indigenen Völker, die ihr Land und ihre Identität verteidigen konnten, ein deutlich besseres, fast “paradiesisches” Leben. Viele indigene Völker haben dies erlebt, es ist Realität. Für die Filme wurden kontaktierte Awá in ihrem Alltag gefilmt (es wurde selbstverständlich nicht versucht mit unkontaktierten Awá in Kontakt zu treten). Das Filmmaterial liefert einen direkten, jedoch sehr kurzen, Einblick in ihr Leben.

Die Filme sehen teuer aus. Ist das nicht Geldverschwendung?

Unsere Filme sind der wirksamste – und bei weitem billigste – Weg, einer breiten Öffentlichkeit die Situation der Awá zu schildern. Die Filme wurden von Survival-Mitarbeitern mit unserer eigenen Filmausrüstung gedreht und in unseren Büros geschnitten. Wir haben keine Agenturen angeheuert und die Gesamtausgaben entsprechen nur etwa sieben Prozent der Summe, die wir sonst kommerziell ausgegeben hätten. Die finanziellen Mittel, die zum Aufbau der Kampagne und zur Produktion der Filme nötig waren, stammen nicht von Fördermitgliedern, sondern aus Stiftungsbeihilfen und Spenden, die die Familie und Freunde des verstorbenen Survival-Unterstützers Laurent Fuchs in seinem Andenken gesammelt haben. Weitere Unterstützung wurde auch unentgeltlich bereit gestellt.

Warum erscheinen Prominente im Film?

Das Wichtigste ist, dass die Welt die Awá und ihre Anliegen wahrnimmt und Prominente können hier einen wichtigen Beitrag leisten. Colin Firth, ein langjähriger Förderer von Survival und indigenen Völkern, ist einer unserer international bekanntesten Unterstützer. Heitor Pereira, der die Musik geschrieben hat, ist ein brasilianischer Komponist und Musiker, der bereits mit vielen Preisen geehrt wurde.

Vielen Online-Kampagnen wird vorgeworfen, dass sie das Problem vereinfachen oder ein Thema behandeln, das sie nicht verstehen. Warum ist Survival anders?

Survival hat mehr als vierzig Jahre Erfahrung und ist die einzige internationale Kampagnenorganisation, die ausschließlich der Arbeit für die Rechte indigener Völker weltweit gewidmet ist. Unsere Arbeit beruht auf vielen Jahren direkter und persönlicher Beteiligung, oft ehrenamtlich, und der gemeinsamen Erfahrung von Mitarbeitern und Vorstand. Dazu gehören Personen, die bereits in den 1950er Jahren begannen die Belange indigener Völker zu erforschen. (Einer der Gründer von Survival, Francis Huxley, hat vor über sechzig Jahren mit einem benachbartem Volk der Awá gearbeitet, als er den renommierten brasilianischen Anthropologen Darcy Ribeiro begleitete.) Was indigene Völker weltweit betrifft, ist Survivals Expertise einzigartig und wir pflegen direkten und persönlichen Kontakt zu zahllosen indigenen Gemeinden.

Einige Menschen denken, dass es keine unkontaktierten Völker mehr gibt und dass alle diese Behauptungen falsch sind. Was sagt Survival dazu?

Es gibt viele Völker, die keinen friedlichen Kontakt zu Außenstehenden haben. Unseren einzigartigen Ruf haben wir durch mehr als vierzig Jahre präziser Berichterstattung erworben. Jedes Mal, wenn uns das Gegenteil vorgeworfen wurde, haben wir mit unbestreitbaren Fakten gekontert. In den meisten Fällen wurden die Anschuldigungen gegen uns dann mit einer Entschuldigung zurückgenommen. Wenn wir es für sinnvoll halten, legen wir förmliche Beschwerden gegen diejenigen ein, die das nicht tun.

Welcher Anteil des Geldes, den Sie sammeln, geht an die Awá? Und wieviel an andere Völker in Brasilien?

Die Probleme der Awá werden nicht gelöst, indem man ihnen Geld gibt. Wir haben mit ihnen auch keine Projekte vor Ort finanziert; die unkontaktierten Awá benutzen offenkundig kein Geld. Sehr wenig Geld geht daher direkt nach Brasilien, obwohl wir in manchen Fällen Projekte vor Ort finanzieren, die den Indigenen beispielsweise helfen ihre Fälle vor Gericht zu bringen oder Treffen mit den Behörden zu organisieren. Diese Projektfinanzierung ist nur ein kleiner Teil von Survivals Arbeit, weil eine Menge anderer Organisationen auf diese Art von Förderung spezialisiert ist und von uns empfohlene Projekte besser fördern kann. Wir konzentrieren uns in unserer Arbeit auf die Rechte indigener Völker, vor allem ihre Landrechte.

Wohin geht dann das Geld?

Wir nutzen es, um indigene Völker und ihre Rechte bekannter zu machen und die Öffentlichkeit über ihre Anliegen zu informieren. Zu unseren Aufgaben gehört es mit Regierungen und Unternehmen direkt in Verbindung zu treten; sicherzustellen, dass nationales und internationales Recht nicht verletzt wird; die (manchmal unbeabsichtigten) rassistischen Diffamierungen indigener Völker aufzudecken; und der UN und ähnlichen Organisationen Fälle von Menschenrechtsverletzungen vorzulegen. Ein großer Teil unserer Arbeit besteht heute darin, Fälle wie den der Awá bekannt zu machen und in die Medien zu bringen. In diesem Sinne ist unsere Arbeit mit der von Amnesty International oder Human Rights Watch zu vergleichen, nur mit einer Spezialisierung.

Warum investiert Survival so viel in das Medienprofil?

Weil wir aufgrund unserer über vierzigjährigen Erfahrung mit indigenen Völkern festgestellt haben, dass dies bei weitem die wirksamste Art ist, die Veränderungen zu erreichen, die wir anstreben. Wir wissen, dass es funktioniert.

Wie kann Survival so sicher sein?

Weil es immer und immer wieder funktioniert hat. Wir haben oft sehen können, wie starker öffentlicher Druck Regierungen dazu gebracht hat ihre eigenen nationalen und die internationalen Rechte indigener Völker anzuerkennen.

Mischt sich Survival nicht in Brasiliens innere Angelegenheiten ein?

Survival ist eine internationale Organisation mit Unterstützern in über 100 Ländern, einschließlich Brasilien. Schon öfter haben uns Brasilianer gebeten Probleme mit ihren Behörden anzusprechen, oft mit Erfolg. Um das Überleben der Awá machen sich viele Brasilianer Sorgen, darunter auch einige aus der Regierung.

Wie sieht die rechtliche Lage aus?

Das Awá-Gebiet wurde gesetzlich demarkiert, dennoch werden dessen Grenzen von den Holzfällern, Viehzüchtern und Siedlern nicht respektiert. Die Bundespolizei hat das Recht sie auszuweisen und aus dem Schutzgebiet fern zu halten. Brasilien hat das internationale Übereinkommen für indigene Völker ratifiziert, welches das Recht indigener Völker an ihrem Land anerkennt. Außerdem unterstützt Brasiliens innerstaatliches Recht im Allgemeinen die Anliegen indigener Völker. Brasilien hat ebenfalls die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes ratifiziert, die den Staat dazu verpflichtet, Untersuchungen und strafrechtliche Verfolgung einzuleiten, wenn ein Genozid vermutet wird.

Wenn das Gesetz in Ordnung ist, warum gibt es Probleme?

Holzfäller und Viehzüchter verletzen das Gesetz, stehen aber mit mächtigen lokalen Interessen in Verbindung. Um sich ihnen entgegenzustellen, bedarf es auf höchster Ebene eines starken politischen Willens. Bisher wurden die Awá jedoch nicht als eine dringliche Priorität betrachtet.

Würden die Ressourcen der Awá nicht armen Menschen zugutekommen?

Nein, das Holz wird für das Wohl reicher und mächtiger Familien abgebaut. Brasilien ist kein armes Land mehr (obwohl natürlich immer noch viele Bürger in bitterer Armut leben) und könnte es sich längst leisten das Gebiet der Awá zu schützen – wenn es das wollte. Immerhin sind die Awá eines der allerersten Völker Brasiliens.

Einige Online-Kampagnen haben verdeckt Ziele verfolgt oder die Geldgeber und Initiatoren waren nicht bekannt. Wie reagiert Survival darauf?

Survival hatte nie eine politische, religiöse oder akademische Zugehörigkeit. Unser Geld, hauptsächlich kleine Einzelspenden und Erbschaften, stammt von Hunderttausenden Unterstützern. Ein paar Stiftungen, zusammen mit dem Erlös aus unserem Shop, finanzieren den Rest. Wir lehnen Gelder von nationalen Regierungen ab und haben nie beträchtliche Spenden von Unternehmen erhalten. Im Gegensatz zu einigen größeren Nichtregierungsorganisationen, vertritt keines der Mitglieder unseres Vorstandes und keiner unserer Angestellten die Interessen eines Unternehmens oder einer Regierung. Im Einklang mit dem Gesetz, werden unsere Konten regelmäßig geprüft und sind öffentlich einsehbar. Wenn Survival selbst finanzielle Unterstützung gewährt, behalten wir uns jedoch das Recht vor, die Empfänger nicht zu nennen, falls wir denken dies könnte ihnen schaden.

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