Venezuela und Brasilien: Gewalt und Zerstörung eskalieren im Gebiet der Yanomami

2 Mai 2022

Illegaler Bergbau im Gebiet der Yanomami. Brasilien, 2022. © Bruno Kelly/HAY

Illegaler Bergbau im Gebiet der Yanomami. Brasilien, 2022. © Bruno Kelly/HAY

Vier Yanomami in Venezuela – drei Männer und eine Frau – wurden letzten Monat kaltblütig von venezolanischen Soldat*innen erschossen, die während eines Streits über den Zugang zum Internet das Feuer auf eine Gruppe von Yanomami eröffneten. Die Tragödie ereignete sich in Parima B, einer großen Yanomami-Gemeinde, in der das Militär einen Stützpunkt hat.

Ein weiterer 16-jähriger Yanomami sowie der Bruder eines der Getöteten wurden verwundet und in ein Krankenhaus in der Landeshauptstadt Puerto Ayacucho gebracht.

Die Morde geschahen in einer Zeit zunehmender Spannungen in dem Gebiet. Trotz wiederholter Forderungen der Yanomami in den letzten zehn Jahren haben die venezolanischen Behörden wenig unternommen, um die Tausenden illegalen Goldgräber*innen vor dem Eindringen in das Gebiet der Yanomami zu stoppen. Das Militär ist weit davon entfernt, die Yanomami und ihr Territorium vor den Invasionen zu schützen und wird beschuldigt, vom illegalen Goldhandel zu profitieren.

Die humanitäre Katastrophe hat viele Gemeinden erfasst. Es gibt Berichte über Bergleute, die Yanomami-Frauen zur Prostitution und Männer zur Arbeit in den Minen zwingen. Malaria ist weit verbreitet und aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Krise in Venezuela und der Nachlässigkeit der Regierung sind kaum Gesundheitsteams in dem Gebiet tätig.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission verurteilte den Angriff und forderte die Regierung auf, eine unabhängige Untersuchung der Morde einzuleiten und die Schuldigen vor Gericht zu stellen.

Yanomami & Ye’kwana protestieren in Boa Vista (Roraima, Brasilien). Sie zielen mit ihren Pfeilen auf eine Statue eines illegalen Goldgräbers im Zentrum der Stadt. © Mauricio Ye’kwana

Die Lage im Territorium der Yanomami in Brasilien ist ebenfalls katastrophal und gleicht einem Kriegsgebiet. Hutukara und Wanasseduume, indigene Organisationen, die die Yanomami und Ye’kwana im Yanomami-Gebiet vertreten, haben diesen Monat den schockierenden Bericht Yanomami unter Beschuss veröffentlicht. Er dokumentiert Gewalt, sexuellen Missbrauch und hohe Malaria-Raten sowie Quecksilbervergiftungen der Yanomami als Folge des illegalen Bergbaus.

Außerdem wird festgehalten, dass der illegale Goldabbau zwischen 2016 und 2020 um 3.350 % zugenommen hat und nun 273 Yanomami-Gemeinschaften mit insgesamt 16.000 Menschen oder anders ausgedrückt 56% der Yanomami-Bevölkerung direkt betroffen sind. Im Jahr 2021 hat der Bergbau im Vergleich zu 2020 um 46 % zugenommen.

Illegaler Bergbau im Gebiet der Yanomami-Indigenen. Brasilien, 2022. © Bruno Kelly/HAY

Sexuelle Gewalt gegen Yanomami-Frauen ist auf dem Vormarsch, da die Goldgräber*innen Drogen und Alkohol im Austausch gegen Sex anbieten und der Bericht verweist auf mehrere Fälle von Vergewaltigungen von Yanomami-Frauen und Belästigung von Mädchen.

Der Gesundheitszustand der Yanomami verschlechtert sich zusehends und in dem Bericht heißt es: „Der illegale Abbau von Gold hat zu einer explosionsartigen Zunahme von Malaria und anderen ansteckenden Krankheiten geführt, was schwerwiegende Folgen für die Gesundheit und die Finanzsituation der Familien hat.“

Bewaffnete und gewalttätige kriminelle Banden operieren ungestraft in der Region und viele Gemeinden in den illegalen Bergbaugebieten leben in einem ständigen Ausnahmezustand, da die Bergleute sie konstant einschüchtern und bedrohen. Im Jahr 2020 wurden zwei Yanomami von Goldgräber*innen getötet und im Jahr 2021 wurden Berichten zufolge mindestens zwei unkontaktierte Yanomami von Bergleuten ermordet. Zwei Yanomami-Kinder ertranken, als sie 2021 unter eine Goldminen-Baggeranlage gesaugt wurden.

Ein Yanomami-Kind mit Körperbemalung, 2008. Die Gesundheit der Yanomami ist in Gefahr, da sich Malaria und andere Krankheiten ausbreiten. © Fiona Watson/Survival

Ein Großteil der Invasion wird durch Präsident Bolsonaros rassistische Rhetorik und seine Versuche, die Verfassung zu untergraben und alle Formen des Bergbaus in indigenen Gebieten zu legalisieren, geschürt. Der hohe Goldpreis und die mächtigen wirtschaftlichen und politischen Interessen in der Region verschärfen das Problem noch. Als Rückschlag für Bolsonaro und seine Verbündeten wurde jedoch ein Gesetzesentwurf zur Öffnung des Bergbaus in indigenen Gebieten im Kongress auf Eis gelegt.

Ein Yanomami-Anführer aus Palimiu, einer Gemeinde, die wiederholt unter gewaltsamen Übergriffen zu leiden hatte, sandte diesen Appell: „Ihr Nicht-Indigenen, ihr, die ihr in fernen Ländern lebt …, seht, dass wir Yanomami wirklich leiden! … Wir wollen, dass die Anführer*innen der ganzen Welt auf uns schauen! … Wir haben zusammen mit dem Wald gelitten! … Jetzt ist der Wald tot. Sie haben alle Bäume zerstört, von denen wir Früchte gegessen haben! Sie fällten alle großen Bäume! Und wer hat das getan? Die Goldgräber*innen waren es! Unser Land ist völlig tot! … So wie der Wald verwüstet ist, sind wir es auch! Warum sind wir geschädigt? Wir sind durch den Bergbau zerstört worden. Wir wollen euch die Augen öffnen. Sie haben uns alle ausgelöscht!“

Survival hat bei den venezolanischen Behörden gegen die Ermordung der vier Yanomami protestiert und gefordert, dass das Militär für die Morde vor Gericht gestellt und verurteilt wird. Vor kurzem hat Survival zusammen mit anderen NGOs vor der brasilianischen Botschaft in London gegen illegalen Bergbau, Abholzung und Landraub auf indigenem Land demonstriert.

Yanomami
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