Zehn Jahre später: Unkontaktiertes Volk in Gefahr, weil der Schutz ihres Landes stagniert
10 Oktober 2023
Vor zehn Jahren veröffentlichten die brasilianischen Behörden außergewöhnliches Filmmaterial, das die Existenz eines unkontaktierten Volkes im Amazonasgebiet belegt. Dennoch ist ihr Land immer noch nicht vollständig geschützt – Holzfällende und Landräuber*innen bedrohen ihr Gebiet.
Im Jahr 2013 veröffentlichte FUNAI, die brasilianische Behörde für indigene Angelegenheiten, ein Video, das Mitarbeitende bei einer zufälligen Begegnung mit dem Volk der Kawahiva im Bundesstaat Mato Grosso, tief im Amazonasregenwald, aufgenommen hatten.
Eine weltweite Kampagne von Survival International gemeinsam mit indigenen Völkern forderte die Behörden anschließend zum Handeln auf. 2018 wurden Viehzüchtende und Holzfällende, die das Gebiet der Kawahiva besetzt hatten, ausgewiesen.
Doch seitdem ist der Prozess zum Schutz des Landes ins Stocken geraten – Holzfällende und Landräuber*innen umgeben das Gebiet und eine illegale Straße wurde nur zwei Kilometer entfernt gebaut.
Ein FUNAI-Team auf einem Wachposten in der Nähe versucht, die Holzfällenden und Viehzüchtenden trotz der von ihnen ausgehenden Gefahren von dem Gebiet fernzuhalten. Ihr Posten wurde bereits mehrmals angegriffen.
Massaker und Krankheiten haben in der Vergangenheit bereits viele Kawahiva getötet – die einzige Überlebenschance für die verbliebenden Indigenen ist, dass ihr Gebiet endlich demarkiert (rechtlich anerkannt und abgegrenzt) wird.
Der Regierung wurden bereits zwei Fristen gesetzt, um die Demarkierung des Kawahiva-Gebiets abzuschließen: Im Jahr 2013 – als das Video zum ersten Mal veröffentlicht wurde – ordnete ein brasilianisches Gericht an, die Demarkierung durchzuführen. Zehn Jahre später ist dies immer noch nicht geschehen. Im August dieses Jahres gab das Verfassungsgericht Brasiliens daher der FUNAI 60 Tage Zeit, um einen Plan für die endgültige Demarkierung des Gebiets fertigzustellen.
Eliane Xunakalo von der indigenen Organisation FEPOIMT (Föderation der indigenen Völker und Organisationen von Mato Grosso) sagte zu der Situation: „Es ist äußerst wichtig, die Demarkierung für unsere unkontaktierten Verwandten abzuschließen. Das Gebiet „Kawahiva do Rio Pardo“ ist bei Eindringlingen begehrt und es ist auch für die FUNAI-Mitarbeitenden, die dort bei dem Wachposten arbeiten, extrem gefährlich. Wir können das Überleben unserer unkontaktierten Verwandten nur garantieren, wenn das Gebiet demarkiert wird.“
„Es liegt an uns, unsere Verwandten und ihre Lebensweise zu schützen, denn sie stellen den Widerstand und die Tapferkeit inmitten all dieser Bedrohungen und Herausforderungen dar, die es hier in Mato Grosso gibt“, fügte sie hinzu.
Die Leiterin von Survival Brasilien, Sarah Shenker, sagte heute: „Dies ist einer der wichigsten Fälle, die unkontaktierte Völker in ganz Brasilien betreffen. Die Kawahiva sind Überlebende zahlloser völkermörderischer Angriffe, die viele von ihnen ausgelöscht haben; der Prozess der Demarkierung ist zum Erliegen gekommen; und Holzfällende sowie Landräuber*innen betrachten das Gebiet nur als ihre Beute. Wir wissen, dass Eindringlinge im Wald der Kawahiva aktiv waren. Jede Begegnung zwischen den Kawahiva und diesen Außenstehenden, die in der Regel bewaffnet sind, könnte tödlich sein. Die Behörden müssen jetzt handeln, um den Prozess zum Abschluss zu bringen und das Gebiet der Kawahiva ein für alle Mal rechtlich zu schützen.“
Hinweise an die Redaktion:
Eine vorherige weltweite Kampagne von Survival International an der Seite indigener Völker hat die brasilianischen Behörden zum Handeln aufgefordert: 2016 unterzeichnete der Justizminister einen Erlass, um das Land als indigenes Territorium abzugrenzen. 2018 wurden Viehzüchtende und Holzfällende, die das Kawahiva-Territorium besetzt hatten, ausgewiesen. Doch der Demarkierungsprozess wurde nie abgeschlossen.