Warum Rechtsextreme sich nicht auf indigene Völker berufen können
Stephen Corry, 4.Dezember 2018
Trotz der Tatsache, dass die Existenz einer „arischen Rasse“ wissenschaftlich keinen Bestand hat, wie die Genetik mühelos beweist, gibt es in Nordamerika und in Europa eine Minderheit, die sich wieder auf rechtsextreme Mythen von einer angeblichen „rassischen Reinheit“ beruft. Einige dieser Menschen versuchen, den Einsatz für die Landrechte von Minderheiten und indigenen Völkern mit ihrem eigenen politischen Extremismus in einen Zusammenhang zu stellen. Das Argument lautet: „Wenn zum Beispiel unkontaktierte Völker wie die Sentinelesen jene töten können, die in ihr Gebiet eindringen, und wenn ihr Land allein für sie geschützt ist – haben wir dann nicht ebenso das Recht, Fremde daran zu hindern unser Land zu betreten? Und sollte das Land dann nicht ebenfalls für uns allein geschützt werden?“
Dabei handelt es sich jedoch um eine Umkehrung der tatsächlichen Situation. Der Grund, warum die Unterstützung für die Landrechte von indigenen Völkern das Gegenteil von Rechtsextremismus ist, besteht darin, dass indigene Völker in ihren Ländern Minderheiten sind und Schutz benötigen gegen die mächtige Mehrheit und gegen die Mainstream-Bevölkerung. Wenn das Land der Indigenen nicht geschützt wird, dann droht ihnen eine Katastrophe. Rechte Ideologie dagegen glaubt an einen dominierenden Mainstream der Mehrheit, der die Beseitigung schwächerer Minderheiten anstrebt, die entweder im Land leben oder nahe an dessen wahrgenommenen Grenzen.
Selbstverständlich gehört es zum Kern ihres Glaubens, dass Rechtsextreme meinen, sie seien durch diese Minderheiten bedroht. Doch gibt es hierfür keine historischen oder nachweislichen Fakten. Indigenen Völkern, besonders unkontaktiert lebenden wie den Sentinelesen, droht die Dezimierung, ja sogar die völlige Vernichtung, infolge des Eindringens auf ihr angestammtes Land. Das lässt sich einfach belegen. Die Situation der Indigenen entspricht nicht jener der Mainstream-Europäer*innen oder Mainstream-Nordamerikaner*innen, die in ihren eigenen Ländern die Mehrheitsbevölkerung bilden, und deren Vorherrschaft nicht bedroht ist – so sehr dies in der Vorstellung einiger Rechtsextremer auch der Fall sein mag.
Als die NSDAP in den 1930er Jahren die Losung „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ ausgab, war dies ein Angriff auf jede Person, die die Nazis für anders hielten als die „Mainstream“-Deutschen. Der Mainstream bestand ausschließlich aus „gesunden“ Menschen, die angeblich „arischer“ Abstammung waren. Alle anderen waren ausgeschlossen – vor allem jene, die ein anderes „rassisches“ Erbe oder eine andere Hautfarbe hatten. Selbst Deutsche zählten nicht dazu, deren Vorfahren seit Generationen in Deutschland gelebt hatten, die aber zufällig Jüd*innen oder zu einem Teil Jüd*innen waren. Es spielte keine Rolle, dass die Muttersprache dieser seit Jahrhunderten integrierten Menschen Deutsch war, und viele von ihnen wertvolle Beiträge zur deutschen Kultur und Wissenschaft geleistet hatten.
Die angeblich „arischen“ Deutschen bildeten die Mehrheitsbevölkerung und die Mainstream-Gesellschaft. Dabei waren sie selbst das Ergebnis einer Mischung Hunderter von Stämmen, Territorien und Staaten, die während des 19. Jahrhunderts zu einem einzigen Land vereint wurden.
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