Indien: Waldvolk könnte „aussterben“

23 Mai 2016

Viele Baiga sind bereits aus ihrem Wald vertrieben worden und fristen nun ein ärmliches Leben in den Lagern, in die sie umgesiedelt wurden. © Survival

Diese Seite wurde 2016 erstellt und enthält möglicherweise Formulierungen, die wir heute nicht mehr verwenden würden.

Mehreren indigenen Gemeinden in Zentralindien droht die Ausrottung, weil sie von ihrem angestammten Land im Achanakmar-Tigerreservat vertrieben werden. Das Gebiet soll Vorlage für „Das Dschungelbuch“ von Rudyard Kipling gewesen sein.

Angehörige der Baiga wurden wiederholt von Wildhütern schikaniert. Ihnen wurde gesagt, dass sie in eine sumpfige Lichtung ausserhalb des Reservates umziehen müssen, obwohl es keine Belege dafür gibt, dass sie den Tigern im Schutzgebiet schaden. Solche Belege sind rechtlich für eine Ausweisung erforderlich – in dem Gebiet ist die Zahl der Tiger jedoch zwischen 2011 und 2015 von 12 auf 28 gestiegen.

Ein Baiga aus dem Dorf Rajaki erklärte: „Wir wollen nicht gehen, wir können nicht gehen. Was sollen wir tun?“

Eine lokale Quelle berichtete Survival International: „Auf dem neuen Stück Land gibt es nichts für sie; nichts wird dort wachsen, es gibt kein Wasser und sie können nichts aus dem Wald nehmen. Deshalb sind sie so entschlossen zu bleiben. Denn wenn sie gehen, werden sie einfach aussterben.“

Einigen wurde gesagt, dass, falls sie ihr angestammtes Land nicht verlassen, die Wildhüter Bären und Schlangen auf sie loslassen würden. Andere wurden festgenommen und eingeschüchtert. 2009 wurde ein Mann für drei Monate ins Gefängnis geworfen, weil er ein Eichhörnchen verspeist hatte, das er tot im Wald gefunden hatte.

Jene Baiga, die bereits aus Achanakmar vertrieben wurden, leben jetzt ebenfalls in vollkommen unzureichenden Lagern, die die Regierung eingerichtet hat.

Ein Baiga aus dem Dorf Chirahatta, dessen Bewohnern die Vertreibung droht, erklärte: „Sie unterwerfen uns schon seit zwei oder drei Jahren Restriktionen. Sie lassen uns nicht leben. Sie bringen uns ins Gefängnis und bedrohen uns. Sie sind sehr unfreundlich und streng. Sie stecken uns wegen nichts ins Gefängnis. Wir brauchen nur irgendetwas zu sagen, schon drohen sie uns mit Gefängnis. Sie machen es schwer für uns zu leben.“

In ganz Indien werden Indigene rechtswidrig aus Tiger-Schutzgebieten ausgewiesen, obwohl es keinerlei Beleg dafür gibt, dass ihre Anwesenheit den Tigern schadet. Den Indigenen droht die Verhaftung, an manchen Orten werden sie geschlagen, gefoltert und sogar im Schnellverfahren hingerichtet, nur weil sie versuchen ihr angestammtes Land zu betreten. Zugleich wird die Tiger-Beobachtung durch Touristen in großem Stil gefördert.

Baiga arbeiten unter schrecklichen Bedingungen in der Bauxit-Mine Bodai-Daldali im indischen Bundesstaat Chhattisgarh. Hatten die Indigenen einst autark in ihren Wäldern gelebt, so erwarten sie nach der Vertreibung von ihrem Land Ausbeutung und Armut. © Sayantan Bera/Survival

Zahlreiche Belege zeigen, dass indigene Völker besser auf ihre Umwelt achten als irgendjemand sonst. Nach Angaben von Survival International hat die Tigerpopulation im BRT-Tigerreservat im südindischen Bundesstaat Karnataka stärker zugenommen als im landesweiten Schnitt. BRT ist das einzige Schutzgebiet in Indien, in dem Indigenen offiziell erlaubt wurde, weiter auf ihrem Land zu leben. Dies belegt, dass indigene Dörfer innerhalb des Schutzgebietes keine echte Gefahr für die Tiger oder ihren Lebensraum darstellen.

Survival hat dem WWF, der weltweit größten Naturschutz-Organisation, geschrieben. Diese rüstet die Forstbeamten in dem Gebiet aus und trainiert sie.

Stephen Corry, Direktor von Survival International, sagte: „Es ist gleichermaßen rechtswidrig wie unmoralisch, sich auf indigene Völker einzuschießen, die seit Jahrhunderten friedlich Seite an Seite mit den Tigern leben. Die wahren Gründe, warum die Tiger in Gefahr gerieten, sind doch die Industrialisierung und ausschweifende Jagden zur Kolonialzeit. Das Ganze ist außerdem ineffektiv, da indigene Völker ins Visier genommen werden, statt gegen die wahren Wilderer vorzugehen. Bei den Wilderern handelt es sich um kriminelle Banden. Die großen Naturschutz-Organisationen sollten Partnerschaften mit den indigenen Völkern eingehen, statt die für die Wälder zuständigen Behörden zu unterstützen, die brutal gegen die Indigenen vorgehen. Wer indigene Völker ins Visier nimmt, schadet dem Naturschutz.“

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