Festnahme von Kaziranga-Parkwächter: Indigene bezweifeln Schuld vieler „Wilderer“

10 August 2017

Witwe eines Mannes, der im Wald getötet wurde, nachdem er von der Forstbehörde zum Arbeitseinsatz gerufen wurde. Tiger-Reservat Kaziranga. © Survival

Diese Seite wurde 2017 erstellt und enthält möglicherweise Formulierungen, die wir heute nicht mehr verwenden würden.

In Indiens Kaziranga-Nationalpark, der für seine „Schießen bei Sichtkontakt“-Praxis („Shoot on Sight“) berüchtigt ist, wurde ein Parkwächter nach einem brutalen Vorfall festgenommen. Lokale Anwohner*innen sehen nun ihre Vermutung bestärkt, dass viele vermeintliche „Wilderer“ unschuldig angegriffen werden.

Drei Dorfbewohner, darunter ein Mann des lokalen Mising-Volkes, wurden von Kaziranga-Forstbeamten gefoltert und geschlagen, nachdem sie Vieh auf einem Markt verkauft hatten. Die Männer berichteten, dass die Beamten ihr Geld nahmen und sie schlugen. Sie drohten ihnen sie zu erschießen und sie als ertappte Wilderer darzustellen.

Einer der Männer konnte entkommen und holte Hilfe. Subal Bawri, ein Indigener, wollte eingreifen und wurde selbst geschlagen. Die Opfer glauben, dass nur die Ankunft der anderen Dorfbewohner*innen verhindert hat, dass sie getötet wurden.

Die Dorfbewohner reichten nach dem Vorfall eine Beschwerde bei der Polizei ein. Es gab Proteste lokaler Anwohner*innen. Die Männer erklärten, dass die Parkwächter ihre rechtliche Immunität missbraucht hätten, die ihnen helfen soll, die Wildtiere zu schützen. Ein Parkwächter wurde festgenommen.

Parkwächter im Kaziranga-Nationalpark sind bewaffnet und genießen effektive Immunität vor Strafverfolgung. © Agence France Presse

Subal Bawri sagte: „Ich sah den Streifenpolizisten [Parkwächter] und zwei Bataillons-Männer [von der Assam-Waldschutz-Einheit]. Die Bataillons-Männer hielten Arshad Alis Hände fest und der Streifenpolizist hielt ein Bündel Geld und eine zerbrochene Flasche in den Händen. Ich hörte ihn sehr deutlich sagen: ‚Ich werden dich mit dieser Flasche umbringen, dich zum Fluss schleppen und auf dich schießen.’ Ich wurde sehr wütend und fragte sie, ob sie Gundas [Verbrecher] seien. Ich sagte auch, dass ‚die Regierung euch diese Uniform gab und so viel Geld für euch ausgibt, damit ihr eure Pflicht in Kaziranga erfüllt, seid ihr hergekommen, um zu morden? So habt ihr also unschuldige Menschen als Wilderer dargestellt und schützt in Wirklichkeit die echten.’“ Bawri wurde daraufhin an der Kehle gepackt und von zwei Männern geschlagen.

Zeugen berichteten gehört zu haben, wie die Parkwächter spezifisch drohten zwei der Männer zu erschießen und zu behaupten, sie seien Wilderer gewesen.

Kaziranga-Parkwächter haben effektiv Immunität vor Strafverfolgung und haben die Anweisung auf mögliche Wilderer zu schießen. Berichten zufolge wurden dabei innerhalb von 20 Jahren 106 Menschen erschossen, einschließlich eines schwerbehinderten indigenen Mannes, der die unmarkierten Grenzen des Parks überschritten hatte.

Indigene haben von Schlägen durch Parkwächtern in Kaziranga berichtet. © Survival

Der Park war Gegenstand des BBC-Reports „Killing for Conservation“ („Töten für den Naturschutz“), nachdem Survival Internationals Recherchen weltweit Kritik an der „Schießen bei Sichtkontakt“-Praxis und den Schüssen auf einen siebenjährigen indigenen Jungen bewirkt hatten. Der Junge, Akash Orang, wurde im Juli 2016 schwer verletzt und wird wohl nie wieder richtig laufen können.

Mehrere Kaziranga-Parkwächter wurden für die Beteiligung an illegalem Wildtierhandel festgenommen, obwohl sie für den Schutz der im Park lebenden Panzernashörner und Tiger verantwortlich sind.

Survival International führt die globale Kampagne gegen Misshandlungen im Namen des Naturschutzes und für ein Naturschutz-Modell an, das die Rechte indigener Völker respektiert.

Viele Menschen in und um Kaziranga wurden dort von den Briten angesiedelt, um auf Tee-Plantagen zu arbeiten. Ihnen drohen Vertreibung, Umsiedlung und regelmäßige Einschüchterung durch Parkwächter. © Survival

Seit Jahrtausenden verwalten indigene Völker ihre Umwelt und sind von ihr anhängig. Sie sind die besten Naturschützer und Wächter ihrer Umwelt. In einem Tiger-Reservat in Südindien, wo Indigene das Recht erhalten haben, auf ihrem Land zu bleiben, nahm die Anzahl an Tigern deutlich schneller zu, als im indischen Durchschnitt.

Dennoch müssen indigene Gemeinden Festnahmen, Schläge, Folter und sogar den Tod im Namen des Naturschutzes fürchten.

Survivals Direktor Stephen Corry sagte: „Vorfälle wie dieser zeigen das wahre Gesicht des Naturschutzes, wie er in Kaziranga praktiziert wird: Grauenhafte Gewalt und Korruption unter den Offiziellen, während Indigenen vorgeworfen wird der Umwelt zu schaden. Es ist ein Lügenmärchen. Und es schadet der Natur. Wann werden die Menschen aufwachen und die Tatsache erkennen, dass das gegenwärtige Naturschutz-Modell indigene Völker umbringt? Diese Art des Schreckens wird kein Nashorn und keinen Tiger schützten.“

Indigene in Tiger-Schutzgebieten
Indigenes Volk

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