Das schockierende Gerichtsurteil, das mit der Zeit besser wird

Die Buschleute feiern ihren historischen Sieg vor Gericht. © Survival International

Gordon Bennett, Anwalt für Menschenrechte, erinnert sich an seine Rolle bei einem der wichtigsten juristischen Erfolge indigener Völker.

2002 vertrieb die Regierung Botswanas 600 Angehörige der indigenen “Buschleute” von ihrem angestammten Land im Central Kalahari Game Reserve.

Die Regierung behauptetet, dass die Buschleute nach den Vorschriften über Wildtiere eine offizielle Erlaubnis bräuchten, um das Schutzgebiet zu betreten. Ohne die Erlaubnis wären sie kriminelle Eindringlinge.

Mit Hilfe von Survival International zogen die Buschleute vor den Obersten Gerichtshof und gewannen am 13. Dezember 2006 ihren Fall – trotz einer hastigen Änderung der Verfassung Botswanas, die ihre Forderungen in letzter Minute entkräften sollte.

Die Buschleute argumentierten vor Gericht, dass das Gesetz die besondere Beziehung zu ihrem Land und die Rechte, die jeder Klan gemäß der Tradition innerhalb seines eigenen Territoriums genieße, respektieren müsse. Das Gericht stimmte zu und entschied, dass diese Rechte gegenüber dem strikten Wortlaut der Regelung Vorrang haben müssen.

Das Gericht kam weiterhin zu dem Ergebnis, dass die Buschleute unrechtmäßig aus dem Reservat vertrieben worden waren, und dass die Verweigerung von Jagdlizenzen ihnen gegenüber ebenfalls gesetzeswidrig war.

Ich wurde gebeten die Buschleute bei der Anhörung zu vertreten, weil ich auch schon andernorts in Afrika mit Klagen indigener Völker zu tun hatte. Dieser Fall erwies sich jedoch als völlig anders, als die, die ich in der Vergangenheit kennen gelernt hatte.

Alles begann mit einem Ausflug in das Reservat. Drei Richter, zwei Teams von Batswana-Anwälten und ein englischer Rechtsanwalt verbrachten mehrere Tage in einer der härtesten Regionen der Welt, verfolgt von einer Horde aus Film- und Fernsehcrews. Wir inspizierten die traditionellen Gebiete und sprachen mit einigen Buschleuten, die sich gegen die Vertreibungen gewehrt hatten.

In einem Umsiedlungslager außerhalb des Reservates war unter Kühen, Eseln und Ziegen ein provisorisches Gericht zusammengekommen. Dort sagten Buschleute als Zeugen in ihren Klick-Sprachen aus und warteten geduldig, während ihre Antworten zuerst in Setswana und dann ins Englische übersetzt wurden.

Keiner der Buschleute war zuvor in einem Gericht gewesen. Einige waren noch nie in einem festen Gebäude gewesen. Nach dem längsten und teuersten Prozess der Geschichte Botswanas wurde das Urteil live im nationalen Fernsehen übertragen – auch eine Premiere. Extra Zelte wurden herbeigeholt, um die vielen Leute, die aus ganz Afrika und anderen Teilen der Welt gekommen waren, unterzubringen.

Der Prozess nahm die Vorstellungskraft der Öffentlichkeit gefangen: Es hatte sich eine Gemeinschaft, arm und weitestgehend analphabetisch, in einem scheinbar hoffnungslosen Versuch ihre ursprüngliche Lebensweise zu schützen, gegen einen allmächtigen Staat gestellt, der scheinbar unbegrenzte Ressourcen zu seiner Verfügung hatte.

Wenn das Urteil für die versammelte Presse überraschend war, so war es ein Schock für die Buschleute. Sie hatten mit Leidenschaft an ihre Sache geglaubt, aber in einem zwanzig Jahre dauernden Kampf gegen die Umsiedlung ihres Volkes waren sie nur zu vertraut mit dem bitteren Geschmack der Niederlage.

Endlich hatte jedoch jemand in einer einflussreichen Position verstanden, dass die Beziehung der Buschleute zu ihrem Land alles bestimmt: Wer sie sind, was sie tun und wie sie leben. Schließlich hatte man erkannt, dass die Buschleute ohne ihr Land nicht überleben würden.

Die Buschleute feiern ihren historischen Sieg vor Gericht. © Survival International

Als wir in die Kalahari zurückkehrten, um allen von dem Urteil zu berichten, wurden wir auf Schultern durch die Siedlungen getragen. Die Vorstellung, dass sie ihr Land verlieren könnten, hatte viele von ihnen gelähmt. Als die Meldung vom Gerichtssieg sie erreichte, wurden die Menschen ekstatisch.

Aber die Buschleute können sich nicht ausruhen. Die Regierung hat 2010 den Bau einer Touristenunterkunft innerhalb des Reservates gestattet und die Arbeiten an einer US$ 3 Milliarden schweren Diamantenmine sind auch im Gange. Trotz des Urteils ist es die Regierung bisher schuldig geblieben, diese Pläne mit den Buschleuten zu besprechen – oder andere Vorhaben, die die Regierung für das Gebiet hat.

Doch es gibt auch gute Meldungen. Im September 2011 wurde der größte Brunnen im Reservat zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt wieder geöffnet. Dieser Erfolg, der den Buschleuten Zugang zu fließendem Wasser auf ihrem Land ermöglicht, war wieder Resultat weiterer Jahre vor Gericht, in denen die Ausdauer der Buschleute erneut siegte. Seitdem sind weitere Buschleute zurück in das Reservat gezogen und genießen das Wasser, das ihnen so viele Jahre verweigert worden war.

Die Buschleute fordern von der Regierung keine Almosen, Straßen oder Krankenhäuser. Sie wollen jedoch über staatliche und privatwirtschaftliche Vorhaben auf ihrem Land konsultiert werden. Das erscheint nicht zu viel verlangt. Im Gegenteil, internationale Bestimmungen fordern inzwischen, dass Regierungen und Unternehmen die “freie, vorherige und in Kenntnis der Sachlage erteilte Zustimmung” indigener Völker einholen, bevor sie Projekte auf ihrem Land durchführen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Regierung diese Zustimmung ersuchen wird. Rechtsanwälte können Vereinbarungen aushandeln, um den negativen Einfluss eines Projektes zu begrenzen und um sicher zu stellen, dass die Buschleute einen gewissen Nutzen daraus ziehen. Aber sie können nicht mit sich selbst verhandeln. Wenn Politiker und Geschäftsleute weiterhin die indigenen Gemeinden im Reservat ignorieren, werden weitere Gänge vor Gericht unvermeidbar sein.

Wenn ich auf den langen und scheinbar aussichtlosen Kampf der Buschleute zurückblicke, wird deutlich, wie wichtig solche Fälle sind. Nicht nur für sich betrachtet, sondern auch als Präzedenzfall für die Landrechte indigener Völker weltweit.

Ist es zu viel zu hoffen, dass allgemeine Vernunft und Anstand den Sieg davontragen, und dass den Buschleuten schließlich ein Mitspracherecht darüber, was auf ihrem Land geschehen soll, eingeräumt wird? Wir würden alle verlieren, wenn es nicht so kommt.

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