Artenschutz-Tag: Survival startet Boykott von berüchtigtem Nationalpark

2 März 2017

Seit Akash Orang 2016 in der Nähe seines Zuhauses von Parkwächtern angeschossen wurde, kann er nicht mehr richtig gehen. © JEEPAL

Diese Seite wurde 2017 erstellt und enthält möglicherweise Formulierungen, die wir heute nicht mehr verwenden würden.

Survival International ruft mit Beginn des Tag des Artenschutzes (3. März) zum Boykott des Nationalparks Kaziranga in Indien auf. Der Boykott-Aufruf wird solange beibehalten, bis der Park seine berüchtigte Praxis beendet hat, mutmaßliche Wilderer bei Sichtkontakt zu erschießen (Shoot-on-Sight).

Survival hat sich an 137 Reiseanbieter in 10 Ländern gewandt mit der Bitte, den Boykottaufruf zu unterstützen. Zwei französische Reiseanbieter – Hote Antic Travel und Evanoes – haben sich bereits dem Aufruf angeschlossen.

Update: Auch Chalo! Reisen aus Deutschland wird Touren nach Kaziranga vorläufig sperren.

Auch Survival-Botschafter*innen Gillian Anderson, Sir Quentin Blake und Sir Mark Rylance unterstützen den Boykott. Sir Mark erklärte: „Ich bin stolz darauf, Survivals Kaziranga-Boykott zu unterstützen. Bei Sichtkontakt auf Menschen zu schießen kann nicht gerechtfertigt werden und zu viele unschuldige Indigene sind bereits verletzt oder getötet worden.“

106 Personen sollen Berichten zufolge in den letzten 20 Jahren in dem Park getötet worden sein. Ein 7-jähriger indigener Junge wurde im Juli 2016 angeschossen und wird wohl nie wieder richtig laufen können. Bei einem anderen Zwischenfall wurde ein schwerbehinderter Mann getötet, als er eine entlaufene Kuh einfangen wollte.

Eine BBC-Recherche hat Folter durch Parkwächter aufgedeckt. Ein Mann, der von den Offiziellen des Parks geschlagen worden war, erklärte gegen Survival International: „Das Forstamt folterte mich, schlug mich, setzte Elektroschocks an meinen Ellbogen, meine Knie und meine Geschlechtsteile.“

Die Parkwächter sind zudem angehalten, bei Sichtkontakt auf Eindringlinge zu schießen – ohne Beweise, Festnahme, Gerichtsverfahren oder Möglichkeit, die Verdächtigen zu befragen. Ein Parkwächter gab zu, dass sie „aufgefordert (sind) auf sie zu schießen“, wenn „Wilderer oder irgendwelche Leute“ die unmarkierten Grenzen des Parks überschreiten.

Kaziranga beheimatet die größte Population von Panzernashörnern. © Wikimedia Commons

In einem Bericht der Parkleitung von 2014 wird das Thema detailliert dargelegt. Dort werden Handlungstipps für Parkwächter gegeben wie „sie müssen Folge leisten oder getötet werden“ oder „die Unerwünschten töten“.

Das Panzernashorn und der Königstiger sind einige der bedrohten Tierarten, denen der Park ein Zuhause bietet. Mehr als 170.000 Tourist*innen besuchen den Park jährlich, trotz außergerichtlicher Tötungen und schwerer Menschenrechtsverletzungen im Namen des Naturschutzes.

Der World Wildlife Fund (WWF) hat Ausbildung und Ausrüstung der Parkwächter*innen unterstützt, darunter ein Training für „Kampf und Hinterhalt“ und, nach Recherchen der BBC, Nachtsichtgeräte. Die Naturschutzorganisation wirbt auch für Touren in den Park.

Einige Naturschützer*innen, darunter Save the Rhino sehen Shoot-on-Sight kritisch. Doch große Naturschutzorganisationen haben Survivals Forderung ignoriert, Shoot-on-Sight zu verurteilen, darunter Wildlife Conservation Society, Nature Conservancy und Conservation International.

Dutzende Personen wurden in Kaziranga bei Sichtkontakt erschossen. © Survival

Shoot-on-Sight wird nicht nur für die Auswirkungen auf Menschen kritisiert, sondern auch für ineffektiven Naturschutz. Rory Young, Experte für Wilderei und Mitbegründer der Anti-Wilderei-Organisation Chengeta Wildlife erklärte: „Shoot-on-Sight macht keinen Sinn. Wenn wir bei unserer letzten Sting-Operation damit gearbeitet hätten, hätten wir eine Handvoll Wilderer erschossen und das wäre das Ende vom Lied gewesen. Jeder einzelne Wilderer ist aber eine Quelle für Informationen, um weitere Wilderer zu bekommen und sich bis zu den Drahtziehern hochzuarbeiten.“

Survival International führt den Kampf gegen Misshandlungen im Namen des Naturschutzes an. Shoot-on-Sight lenkt von den eigentlichen Wilderern ab – Kriminelle, die mit korrupten Regierungsbeamten zusammenarbeiten. Indigenen Völkern drohen in Schutzgebieten wie Kaziranga Haft, Schläge, Folter und Tod, während einige Forstbeamte selbst in illegalen Wildtierhandel verwickelt sind.

Stephen Corry, Direktor von Survival International, sagte: „Naturschützer*innen in Kaziranga tun so, als ob es kein Shoot-on-Sight im Schutzgebiet gibt. Doch das stimmt einfach nicht. Parkwächter haben die Anordnung auf Eindringlingen zu schießen und Kinder wie der 7-jährige Akash können zur Zielscheibe werden. Shoot-on-Sight sind außergerichtliche Tötungen. Dies ist eine schwere Menschenrechtsverletzung, die in jeder anderen Industrie verurteilt werden würde. Die großen Naturschutzorganisationen sprechen sich aber nicht dagegen aus oder unterstützen es sogar.“

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