Brasilien: Survival begrüßt Urteil zugunsten indigener Landrechte
17 August 2017
Diese Seite wurde 2017 erstellt und enthält möglicherweise Formulierungen, die wir heute nicht mehr verwenden würden.
Indigene und Menschenrechts-Aktivist*innen weltweit feiern die Entscheidung von Brasiliens Oberstem Gerichtshof zugunsten indigener Landrechte.
In zwei Verfahren um indigene Landrechte stimmten gestern alle acht Richter*innen für die Rechte indigener Völker und gegen die Regierung des Bundesstaates Mato Grosso. Obwohl die Entscheidung in einem weiteren Fall vertagt wurde, gilt das Ergebnis als großer Erfolg für die Landrechte indigener Völker in Brasilien.
In den letzten Wochen war eine internationale Kampagne angelaufen, die sich gegen Versuche von Präsident Temer richtete, eine kontroverse Rechtsauslegung zur Anerkennung indigener Territorien durchzuboxen.
Demnach hätten indigene Völker, die ihr angestammtes Gebiet nicht bei Inkrafttreten der aktuellen Verfassung am 5. Oktober 1988 bewohnten, keinen Anspruch mehr auf ihr Land gehabt. Der Vorschlag wurde unter dem Namen „marco temporal“ (Zeitlimit) bekannt.
Wäre der Gerichtshof der Auffassung gefolgt, wären die Rechte von Brasiliens indigenen Völkern um Jahrzehnte zurückgeworfen worden und Dutzende autarke Völker von der Zerstörung bedroht gewesen. Der Diebstahl von indigenem Land zerstört autarke Völker und ihre vielfältigen Lebensweisen. Er verursacht Krankheit, Elend und Selbstmord.
Der Jurist und Terena-Indigene Luiz Henrique Eloy sagte: „Das ist ein wichtiger Erfolg für die indigenen Völker dieser Gebiete. Das Oberste Gericht hat ihre angestammten Rechte anerkannt und dies hat Auswirkungen auf nationaler Ebene, denn das Gericht deutete an, dass es das Konzept des Zeitlimits ablehnt.“
Der brasilianische Indigenen-Verband APIB organisierte eine Protestbewegung unter dem Slogan „Unsere Geschichte begann nicht 1988“.
Indigene in ganz Brasilien lehnten die Rechtsauslegung ab. Eliseu Guarani, ein Sprecher der Guarani aus dem Südosten Brasiliens, erklärte: „Es wird keine weitere rechtliche Anerkennung indigener Territorien geben (…) es gibt Gewalt, die wir alle erleben, Angriffe von Paramilitärs, Kriminalisierung und Rassismus.“
Survival International hatte scharfe Kritik an der Rechtsauslegung geäußert und Unterstützer*innen weltweit dazu aufgerufen, an Entscheidungsträger*innen und den Gerichtshof zu appellieren. In den letzten Tagen wurden über 4.000 Protest-E-Mails verschickt.
Auch wenn die Entscheidung kein Garant gegen weitere Angriffe auf die Landrechte indigener Völker ist, stellt sie doch einen wichtigen Sieg gegen die berüchtigte Agrarlobby dar, die enge Verbindungen zu Präsident Temer pflegt.
Stephen Corry, Direktor von Survival International, sagte: „Hätte der Gerichtshof die Rechtsauffassung akzeptiert, hätte dies indigene Rechte im Land um Jahrzehnte nach hinten katapultiert. Brasiliens indigene Völker kämpfen bereits jetzt gegen einen ausgedehnten Angriff auf ihr Land und ihre Identität – eine Weiterführung der Invasion und des Genozids, der schon die europäische Kolonialisierung Südamerikas kennzeichnete. Wir sind unseren Unterstützer*innen für ihre Energie und ihren Enthusiasmus sehr dankbar, mit dem sie den Indigenen geholfen haben, diesen fatalen Vorstoß zu stoppen."