Brasilien: Prominente Indigene fordern Ende von „Genozid“

10 Oktober 2017

Yanomami-Schamane Davi Kopenawa. Auch er hat den Offenen Brief, der vor einem sich entfaltenden Genozid warnt, unterzeichnet. © Fiona Watson/Survival

Diese Seite wurde 2017 erstellt und enthält möglicherweise Formulierungen, die wir heute nicht mehr verwenden würden.

Drei der prominentesten indigenen Anführer*innen Brasiliens haben die Angriffe der brasilianischen Regierung auf indigene Rechte als mörderisch verurteilt.

Davi Kopenawa Yanomami, Schamane und Sprecher der Yanomami aus dem nördlichen Amazonien, Raoni Metuktire, Anführer der Kayapó, und Sonia Bone Guajajara, Guajajara-Anführerin und Aktivistin, haben einen Offenen Brief unterzeichnet. Der Brief wurde anlässlich des früher als „Kolumbus-Tag“ bekannten Feiertages für indigene Völker am 12. Oktober veröffentlicht, der in vielen Ländern Amerikas gefeiert wird.

In dem Brief heißt es:

Ein Völkermord entfaltet sich in unserem Land, in Brasilien.
Unsere Regierung zerstört uns indigene Völker, die ersten Bewohner unseres Landes. Im Namen des Profits und der Macht wird unser Land gestohlen, werden unsere Wälder in Brand gesetzt, unsere Flüsse verseucht und unsere Gemeinden verwüstet. Unsere unkontaktierten Verwandten, die tief im Wald leben, werden angegriffen und umgebracht.
Sie werden uns aber nicht zum Schweigen bringen. Wir wollen nicht, dass die Reichtümer unseres Landes gestohlen und verkauft werden. Solange wir denken können, haben wir für unsere Gebiete gesorgt. Wir schützen unseren Wald, weil er uns das Leben gibt.
Wir indigene Brüder und Schwestern aus über 200 unterschiedlichen Völkern schließen uns aus Protest zusammen. Aus dem Herzen des Amazonas-Regenwaldes wenden sich unsere Rufe an euch. In dieser Zeit der Not brauchen wir euch. Bitte sagt unserer Regierung, dass unser Land nicht zum Stehlen ist.“

Raoni Metuktire, der bekannte Kayapó-Sprecher und Aktivist, kämpfte jahrelang für die Rechte indigener Völker und gegen den berüchtigten Staudamm Belo Monte. © Antonio Bonsorte/Amazon Watch

Die Brief folgt der zunehmenden Sorge über die engen Beziehungen der mächtigen und indigenenfeindlichen Agrarlobby mit der Regierung Temer, die nach der Amtsenthebung von Dilma Rousseff vergangenes Jahr an die Macht kam.

Expert*innen haben die Einstellung der gegenwärtigen Administration zu indigenen Völkern als „die schlimmste seit zwei Generationen“ beschrieben. Unkontaktierte Völker sind die bedrohtesten Gesellschaften des Planeten, aber wo ihre Landrechte respektiert werden, können sie gut und erfolgreich leben.

FUNAI, die brasilianische Indigenen-Behörde, deren Mitarbeiter*innen indigene Gebiete patrouillieren und schützen sollen, hat massive Budgetkürzungen erlebt. Dadurch fehlt vielen indigenen Gemeinden der Schutz vor Gewalt durch Eindringlinge sowie eingeschleppten Krankheiten, gegen die sie keine Immunabwehr gebildet haben.

Zudem ist die Gewalt gegen Indigene, denen ihr Land und ihre Ressourcen geraubt werden, besorgniserregend gestiegen. Im August wurden schätzungsweise 10 unkontaktierte Indigene im Javari-Tal Opfer eines „Massakers“. Im Mai griffen Rancher eine Gruppe von Gamela-Indigenen mit Macheten an und verstümmelten einige von ihnen brutal.

Sonia Guajajara, eine prominente indigene Aktivistin, bei einem Protest in Paris 2014. © Survival International

Unkontaktierte Völker sind weder rückständig noch sind sie primitive Überreste aus einer entfernten Vergangenheit. Sie sind unsere Zeitgenossen und ein sehr wichtiger Teil der menschlichen Vielfalt. Wo ihre Rechte geachtet werden, können sie weiterhin gut und erfolgreich leben.

Stephen Corry, Direktor von Survival International, sagte: „Brasiliens Regierung ist entschlossen indigene Rechte im ganzen Land zu untergraben. Sie lässt die Territorien unkontaktierter Völker vorsätzlich für Eindringlinge geöffnet, im vollen Wissen um Tod und Leid, die zwangsläufig folgen werden. Was in Brasilien passiert ist eine dringliche und schreckliche humanitäre Katastrophe. Die internationale Gemeinschaft sollte ihren Einfluss geltend machen und an der Seite indigener Anführer*innen und anderer in Brasilien stehen, die ein Ende der Verfolgung fordern.“

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