Tiger-Reservat: Indigenes Volk soll gehen, aber Uran-Suche genehmigt
15 Juni 2017
Diese Seite wurde 2017 erstellt und enthält möglicherweise Formulierungen, die wir heute nicht mehr verwenden würden.
Indische Behörden drohen einem indigenen Volk damit, es aus einem Tiger-Reservat zu vertreiben – im Namen des Naturschutzes. Zugleich aber wurde in dem Schutzgebiet nun die Erkundung von Uran-Vorkommen genehmigt. Der Schritt hat Aktivist*innen entsetzt, die den Behörden „Heuchelei“ vorwerfen.
Angehörige der Chenchu im Tiger-Reservat Amrabad hoffen darauf, auf dem Land bleiben zu dürfen, von dem sie leben, und das sie seit Jahrtausenden bewirtschaften.
Die Indigenen erklärten: „Die Forstbehörde will uns von hier vertreiben. Wir wollen aber nirgendwo anders leben. Wir schützen unseren Wald. Wenn wir ihn verlassen, ist es, wie einen Fisch aus dem Wasser zu nehmen: Er wird sterben (…) Doch für ihren Profit trennt die Regierung die Chenchu von ihrem Wald. Das ist, wie Kinder von ihren Müttern zu trennen.“
„Die Regierung verkauft den Wald an Bergbau-Unternehmen. Wenn wir aufs Flachland umziehen müssten, würden wir alkoholsüchtig. Wir würden trinken und sterben. Die Chenchu wird es dann nur noch auf Fotos und in Videos zu sehen geben.“
„Wir leben im Wald und wir werden im Wald sterben. Der Wald ist unsere Mutter und unser Leben. Die Natur ist unser Leben, ohne Natur können wir nicht leben.“
Indiens Behörden rechtfertigen die Zwangsvertreibung der Indigenen, die sowohl gegen indisches als auch gegen internationales Recht verstößt. Sie behaupten, die Anwesenheit von Menschen in dem Reservat sei für die Tiger schädlich. Gleichzeitig dürfen in Indien zahlende Reisende viele der Tiger-Reservate besuchen. Auch wurden bereits Straßenbau, Rohstofferkundung und sogar Bergbau zugelassen.
Hintergrund-Informationen:
- Die Chenchu sind nur eines von mehreren indigenen Völkern in Indien, denen die Vertreibung vom Land ihrer Vorfahren droht. In Zentral-Indien wurden bereits viele Gemeinden der Baiga vertrieben. Einige wurden einfach sich selbst überlassen, andere wurden in Umsiedlungslager der Regierung gebracht, in denen die Lebensbedingungen oft erbärmlich sind.
- Nach indischem Gesetz müssen Räumungen freiwillig erfolgen, und die betroffenen Gemeinschaften sollten entschädigt werden. In der Realität jedoch wird Indigenen zumeist die Information vorenthalten, dass sie ein garantiertes Recht darauf haben nicht umzusiedeln. Stattdessen werden sie häufig bedroht. Die Entschädigungssummen reichen selten aus, um am Leben außerhalb des Waldes teilzunehmen. Und oft erhalten die Menschen nicht das, was ihnen versprochen wurde.
- Das Tiger-Reservat Amrabad befindet sich im südindischen Bundesstaat Telangana.
- Die Chenchu lebten seit Jahrtausenden in Süd- und Mittel-Indien von der Jagd und vom Sammeln, bis die Jagd in den 1970er Jahren verboten wurde. Die Bemühungen der Regierung, die Chenchu zur Landwirtschaft zu bewegen, wurden von dem Volk weitestgehend abgelehnt.
- Die Chenchu verfügen über beeindruckendes Wissen über ihren Wald und die Tiere. Sie sammeln 20 verschiedene Fruchtsorten und 88 verschiedene Arten von Kräutern. Sie betrachten alle Tiere als Verwandte und Götter. Ihre Gemeinschaftsregeln schreiben vor, dass sie dem Wald niemals mehr entnehmen sollten, als sie benötigen, und nichts verschwenden sollen. Ein Chenchu-Mann sagte hierzu: „Wenn Menschen von außerhalb in den Wald kommen, dann fällen sie alle Bäume und nehmen sich alle Früchte. Wir dagegen fällen die Bäume nicht, und wir nehmen nur die Früchte, die wir brauchen“.
Stephen Corry, Direktor von Survival International, sagt: „Das ist die ultimative Heuchelei. Die Behörden wollen die Indigenen vertreiben, die ihre Natur seit Jahrtausenden verwalten, weil der Tiger angeblich darunter leidet, dass dort Menschen leben. Aber dann erlauben sie Uran-Erkundungen. Es ist ein Lügenmärchen. Und es schadet dem Naturschutz. Urlauber*innen, die das Tiger-Reservat in Amrabad besuchen wollen, sollten wissen, dass sie ein System unterstützen, bei dem indigene Völker illegal von ihrem angestammten Land vertrieben werden könnten. Und das eines Tages ein Uranbergwerk an ihre Stelle tritt.“