Indigener Anführer warnt: Covid-19 könnte unkontaktierte Völker in Brasilien erreichen

11 September 2020

Häuser eines unkontaktierten Volks, Javari-Tal, Brasilien © Peetsa/FUNAI/CGIIRC Archive

Diese Seite wurde 2020 erstellt und enthält möglicherweise Formulierungen, die wir heute nicht mehr verwenden würden.

Ein indigener Anführer aus dem Amazonas-Gebiet in Brasilien warnt davor, dass das Coronavirus ein unkontaktiertes Volk, welches als „Flecheiros“ oder Pfeilvolk bekannt ist, mit fatalen Folgen infizieren könnte.

Kura vom indigenen Volk der Kanamari berichtet, dass sich das Coronavirus im gesamten Javari-Tal ausgebreitet hat. Das Tal ist das zweitgrößte indigene Territorium Brasiliens und die Heimat der weltweit größten Konzentration unkontaktierter Völker.

Mindestens eine indigene Person ist in der Hobana-Gemeinde an Covid-19 gestorben, die tief im Javari-Tal liegt und nur etwa 16 Kilometer von einer unkontaktierten Flecheiro-Gemeinde entfernt ist.

In seiner Videobotschaft an Survival sagt Kura: „Wir sind sehr besorgt um unsere unkontaktierten Nachbar*innen“ und dass sich das Virus verbreiten konnte, weil „der brasilianische Staat verantwortungslos ist" und „es ihm an Transparenz mangelt".

Er fordert die Behörden auf, Gesundheits-Checkpoints im Javari-Tal einzurichten und jeden zu kontrollieren, der das Gebiet betritt oder verlässt. Dadurch könne die Ausbreitung des Coronavirus gestoppt und das Gebiet überwacht werden, um illegale Invasionen von Holzfällern, Bergarbeitern und Wilderern zu verhindern.

Ein Fall von Covid-19 wurde in einer Marubo-Gemeinde am Fluss Ituí im Zentrum des Javari-Tals bestätigt, die in der Nähe einer weiteren unkontaktierten Gemeinde liegt. Das lässt Befürchtungen aufkommen, dass auch dieses unkontaktierte Volk Gefahr läuft, sich mit dem Coronavirus anzustecken.

Eine indigene Kanamari-Familie aus der Gemeinde São Luis, Javari-Tal, Brasilien © Fiona Watson/Survival

Unkontaktierte Völker sind extrem gefährdet durch Krankheiten, die von Außenstehenden übertragen werden, wie Grippe, Tuberkulose und Masern, da sie keine Immunität besitzen. In der Vergangenheit sind viele unkontaktierte Völker nach dem Erstkontakt mit Außenstehenden von Krankheiten dezimiert worden und einige sind aufgrund tödlicher Epidemien ganz ausgestorben.

Ein Richter des Obersten Gerichtshofs entschied am 5. August, dass die Regierung innerhalb von 30 Tagen einen ausführlichen und umfassenden Plan zur Bekämpfung der Pandemie und zur Verhinderung ihres Übergreifens auf indigene Gebiete vorlegen muss. Richter Barroso bestätigte die große Verwundbarkeit der unkontaktierten und kürzlich kontaktierten Völker und wies die Regierung an, in ihren Gebieten Gesundheits-Checkpoints einzurichten.

Er entschied außerdem, dass die Behörden alle illegalen Eindringlinge aus den indigenen Gebieten entfernen müssen, legte aber keinen Zeitrahmen für diese Maßnahme fest.

Das Gerichtsverfahren wurde von der APIB – der Koordinierungsstelle indigener Organisationen in Brasilien – und mehreren Oppositionsparteien eingebracht.

Ricardo Lopes Dias, der umstrittene evangelikale Koordinator der Einheit für unkontaktierte Völker von FUNAI, der Behörde für indigene Angelegenheiten in Brasilien, bleibt auf seinem Posten. Und das obwohl im Mai ein Richter entschied, er solle mit der Begründung entlassen werden, dass sein evangelikaler Hintergrund „ein klarer Interessenkonflikt" und eine „große Gefahr für die Richtlinie des Verzichts auf erzwungene Kontakte mit [unkontaktierten indigenen] Völkern […] und das Prinzip ihrer Selbstbestimmung" sei.

FUNAI erhob jedoch Einspruch gegen das Urteil und im Juni entschied ein Gericht, dass kein Interessenkonflikt bestehe. Staatsanwält*innen haben dagegen Berufung eingelegt, und der Fall soll vor einem höheren Gericht verhandelt werden.

Der Missionar Ricardo Lopes Dias ist weiterhin Leiter der Abteilung für unkontaktierte Völker von FUNAI. © Ricardo Lopes Dias

Währenddessen hat Ricardo Lopes Dias erfahrene Mitarbeiter*innen vor Ort, die sich für den Schutz unkontaktierter Völker und ihrer Territorien einsetzen, entlassen und einen Anthropologiekurs für neue Mitarbeitende angekündigt.

Dieser soll von Anthropolog*innen und anderen Akademiker*innen unterrichtet werden, von denen einige mit religiösen Organisationen verbunden sind, darunter die evangelikale Organisation Atini – zu deren Gründungsmitgliedern Damares Alves gehört. Alves ist die umstrittene evangelikale Pastorin, die Bolsonaro zur Ministerin für Frauen, Familie und Menschenrechte ernannt hat. Sie hat ihren Wunsch verkündet, Kontakt zu unkontaktierten Völkern aufzunehmen. Das ist das genaue Gegenteil der Politik von FUNAI – keinen Kontakt zu unkontaktierten Völkern herzustellen.

Die von der Regierung vorgenommenen Kürzungen der Budgets von FUNAI und SESAI (indigene Gesundheitsbehörde) in Verbindung mit ihrer chaotischen und fahrlässigen Vorgehensweise im Umgang mit der Pandemie und ihren Folgen für indigene Völker haben viele Gemeinden dazu gezwungen, eigenständig Maßnahmen zu ergreifen, um sich vor dem Coronavirus zu schützen und finanzielle Mittel für Medikamente und Ausrüstung zu sammeln.

Groteskerweise plant FUNAI, 43.000 US-Dollar für den neuen Kurs auszugeben. Das wäre genug Geld, um einen ganzen Schutzposten für unkontaktierte Völker zu finanzieren. Wenn die Ausgaben für den Kurs genehmigt werden, wird Ricardo Lopes Dias persönlich profitieren und 14.000 US-Dollar (77.700 R$) erhalten.

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