Kenia: Bericht offenbart Menschenrechtsverletzungen in privaten Schutzgebieten

18 November 2021

Angehörige lokaler Gemeinschaften skandieren: „Hatutaki NRT“ („Wir wollen den NRT hier nicht.“) © Pastoralist Media Initiative

Diese Seite wurde 2021 erstellt und enthält möglicherweise Formulierungen, die wir heute nicht mehr verwenden würden.

Private Schutzgebiete für Wildtiere (conservancies) in Kenia, zu deren Besucher*innen auch die britische Königsfamilie gehört, sind laut einem erschütternden neuen Bericht des in den USA ansässigen Oakland Institute in die Vertreibung, Folter und Ermordung der lokalen indigenen Bevölkerung verwickelt. Survival thematisiert bereits seit 10 Jahren schockierende Missbräuche bei Naturschutzprojekten in Kenia.

Der vor Kurzem erschienene Bericht untersucht den berüchtigten Northern Rangelands Trust (NRT), einen Zusammenschluss von 39 kenianischen „Community Conservancies“, die mittlerweile 42.000 Quadratkilometer – fast 8 % der Fläche des gesamten Landes – bedecken. Diese Gebiete, die vormals den lokalen Hirtengemeinschaften gehörten und als Weideflächen genutzt wurden, sind in vom NRT kontrollierte „Schutzgebiete“ umgewandelt worden, wofür die indigene Bevölkerung gewaltsam ausgeschlossen und ihnen der Zugang verwehrt wurde. Die Betreiber*innen erhalten beträchtliche Gelder aus dem Emissionshandel, Zuschüssen von Geberländer und Einkünfte aus Luxus-Hotels und -Lodges.

Der NRT geht auf die Initiative von Ian Craig zurück, dessen Familie eine 62.000 Hektar große Rinderfarm besaß, die in die Lewa Wildlife Conservancy umgewandelt wurde. In Lewa haben sich Prinz William und Kate Middleton verlobt und Craig fungiert nach wie vor als „Chief of Conservation and Development“ des NRT.

Die „Partner“-Organisationen des NRT – eine Reihe der größten Unterstützer*innen und Geldgeber*innen des kolonialen und rassistischen „Festungsnaturschutz“-Modells.
© NRT website

In dem Bericht „Stealth Game: ‘community’ conservancies devastate land and lives in northern Kenya“ (Heimliches Spiel: ‘gemeinschaftliche’ Naturschutzgebiete verwüsten Land und Leben im Norden Kenias) beschreiben die Autor*innen schockierende Details über die Funktionsweise dieser sogenannten „Naturschutzgebiete“, darunter:

- die Enteignung indigener und weiterer lokaler Bevölkerungsgruppen,
- zahlreiche Vorwürfe von Misshandlungen und Folter, einschließlich außergerichtlicher Tötungen und des Verschwindens von Personen,
- der Einsatz schwer bewaffneter Sicherheitskräfte, von denen einige von einer Firma ausgebildet wurden, die von Ian Craigs Sohn geleitet wird,
- die massive Landnahme durch einige wenige wohlhabende Einzelpersonen, die zur Vertreibung der Hirtengemeinschaften von ihrem angestammten Land führen,
- und Einschüchterung, einschließlich Verhaftungen und Befragungen von Mitglieder*innen und Anführer*innen der örtlichen Gemeinschaften.

Bei den Gebieten, die jetzt unter „Schutz“ stehen, handelt es sich um das angestammte Weideland von als indigenen Hirten-Völkern wie den Samburu und Maasai, die dieses Land seit Menschengedenken bewirtschaften.

Viele der Schutzgebiete, darunter auch privat geführte wie Ol Jogi, beherbergen heute luxuriöse Safari-Lodges. Der einwöchige Aufenthalt in Ol Jogi kostet Berichten zufolge 210.000 Dollar; ein anderes, die Sarara Lodge, wird von einem der Reiseveranstalter sogar als „eine Heilsmission, nicht nur für die Tiere und das Grasland, sondern auch für die Samburu“ angepriesen.

Die Webseite von Ol Jogi zeigt, wie viele andere touristische Unternehmen auch, ein Bild von Afrika – fast ohne Afrikaner*innen – das einem Spielplatz für wohlhabende Menschen aus dem Westen gleicht. © Ol Jogi website

Der Bericht enthüllt auch, dass der NRT Millionen von Dollar an staatlichen Zuschüssen erhalten hat – von der EU, US-Behörden, der dänischen Danida, der französischen AFD und anderen – sowie riesige Summen von den großen Naturschutzorganisationen, darunter The Nature Conservancy, Conservation International, WWF, Fauna & Flora International, March to the Top, Space for Giants, Save the Elephants, Rhino Ark, Tusk und International Elephant Foundation.

Fiore Longo, Leiterin der Survival-Kampagne zur Dekolonisierung des Naturschutzes, sagte heute: „Es ist besorgniserregend, dass der NRT zunehmend in den undurchsichtigen und fragwürdigen Emissionshandel und Kompensationsprojekte als zusätzliche Einnahmequelle einsteigt, und dass dies von der EU in ihrem neuen NaturAfrika-Projekt als vorbildliches Modell angepriesen wird, obwohl es unzählige Beweise für Menschenrechtsverletzungen gibt.“

Der kenianische Ökologe und Naturschutzexperte Dr. Mordecai Ogada sagte heute: „NRT ist eine Idee, die klein angefangen hat (und vielleicht mit guten Absichten), aber sie ist jetzt zu einer massiven, finanziell und sozial nicht tragfähigen Blase geworden, die den Norden Kenias mit quasi-staatlicher Macht beherrscht. Durch die Manipulation kultureller Strukturen haben sie die Gemeinden in ihr erfundenes „Schutz“-Modell und die Geber*innen in ihr byzantinisches Finanzgeflecht eingespannt. Je länger dieses Konstrukt besteht, desto verheerender wird sein unausweichlicher Zusammenbruch sein.“

Die Direktorin von Survival, Caroline Pearce, sagte heute: „Kenias ‘Conservancies’ haben lange ein Image von Luxus im Einklang mit der Natur, von unberührten afrikanischen Landschaften und glücklichen Einheimischen, oft in malerischer Kleidung, gepflegt. Aber – wie Survival seit langem betont und die Forscher*innen des Oakland-Instituts eindrucksvoll belegen – ist dies lediglich ein Deckmantel für Ausbeutung und Machtmissbrauch auf Kosten der indigenen und lokalen Bevölkerung.“

„Survival hat Zeugenaussagen aus der ganzen Welt gesammelt, die detailliert beschreiben, wie dieses Modell des ‘Festungsnaturschutzes’ dazu führt, dass indigene Völker von ihrem eigenen Land vertrieben und von denen, die sie enteignen, missbraucht und terrorisiert werden. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, warum sich die verbreiteten Naturschutzpraktiken grundlegend ändern müssen und warum die Toleranz der Welt gegenüber entsetzlichen Menschenrechtsverletzungen, die als freundlicher „Naturschutz“ getarnt werden, ein Ende haben muss. Der NRT muss zur Rechenschaft gezogen werden.“

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