Und wenn dieser Wald nicht zerstört wird, dann können wir leben, auch wenn unsere Häuser klein sind
Die Penan Malaysias kämpfen für den Erhalt ihrer Heimat im Regenwald
Der Ort des Ursprungs
Seit langer Zeit verkündet der raue Ruf des Langschopf-Hornvogels den Penan aus dem Regenwald Sarawaks den Sonnenaufgang. Doch heute werden sie eher von lärmenden Kettensägen und umstürzenden Bäumen aufgeweckt
Der tropische Regenwald Sarawaks in Borneo, Ost-Malaysia, gehört zu den biologisch vielfältigsten Wäldern unseres Planeten. Er ist auch das Zuhause der Penan, einem der letzten Jäger-Sammler-Völker in Malaysia; seit Jahrtausenden leben sie im Gleichgewicht mit dem Regenwald, seinen rasanten Flüssen und verzweigten Netzwerken aus Kalksteinhöhlen.
„Das Land ist heilig“, sagt ein Mann der Penan. „Es gehört den unzähligen Toten, den Lebenden und all jenen, die noch geboren werden.“
Sie nennen den Wald „okoo bu’un“: der Ort ihres Ursprungs.
Nomaden
Bis in die 1960er lebten die meisten Penan nomadisch – einige tun das immer noch, während viele andere in Dörfern angesiedelt worden sind. Nomaden ziehen häufig von einem Ort zum nächsten auf der Suche nach Wildschweinen, im Rhythmus der Nahrungszyklen von Fruchtbäumen und wilden Sago-Palmen, und tauschen Walderzeugnisse wie aromatische Hölzer und Rattan gegen Messer, Pfannen und Zeltplanen.
Die Männer der Penan jagen Wildschweine („babui“), Muntjaks und andere Kleintiere wie Eichhörnchen und Echsen. Diese töten sie mit Blasrohren („keleput“), die sie aus Hartholz anfertigen. Ihre Pfeile tränken sie mit einem Gift („tajem“) aus dem milchigen Latex eines Baumes, welches die Herzfunktion beeinträchtigt.
Die Beute wird auf dem Rücken des Jägers nach Hause getragen, wo dann das Fleisch verteilt wird. In der Gesellschaft der Penan nimmt das Teilen einen außerordentlich hohen Stellenwert ein; Nicht-Teilen („see hun“) gilt als schlimmstes gesellschaftliches Vergehen.
Ihre Hauptquelle für Kohlenhydrate ist das stärkehaltige Mark der wilden Sago-Palme. Zu ihren tradtionellen Speisen zählen auch Flussgurkensuppe, die Rambuta-Frucht und verschiedene Fischarten.
Regenwald-Experten
Im Laufe von Generationen haben die Penan ein umfangreiches botanisches Wissen erworben. Sie verstehen die ökologischen und klimatischen Zyklen des Waldes und reagieren auf kleinste Veränderungen des Lichtes oder subtile Erhöhungen der Temperatur, welche das Heranziehen eines Gewitters ankündigen.
Ihre temporären Häuser („sulaps“) bestehen aus den Trieben junger Bäume und werden von allen Penan, wenn sie sich im Regenwald aufhalten, verwendet.
Sie fertigen Pfeilköcher und Nasenflöten aus Bambus und Armbänder aus Rattan. Sie benutzen auch Pflanzen, um eine Vielzahl von Krankheiten zu heilen und haben sich im Wald stets mit anderen Penan durch ein komplexes Symbolsystem aus Ästen und Blättern („oroo“) verständigt.
Da die Gewohnheiten der Penan eng auf das Verhalten der Tiere abgestimmt sind – sie machen die Rufe des Rehkitzes nach, um erwachsene Rehe für die Jagd anzulocken – betrachten sie sich als untrennbarer Bestandteil ihrer natürlichen Umgebung. Ihr Gespür für Nachhaltigkeit und Verantwortung für den Wald – verkörpert durch den Penan-Grundsatz des Bewahrens („molong“) – bedeutet auch, dass sie wenig an ihren Aufenthaltsorten zurücklassen.
Abholzung
Die meisten der 10.000-12.000 Penan leben heute in festen Siedlungen. Doch sowohl die sesshaften als auch die nomadischen Penan sind weiterhin vom Wald abhängig, nicht nur als Quelle für Nahrung und Werkzeuge, sondern auch für ihren spirituellen Selbsterhalt und ihre Identität als Penan.
Sie kämpfen um ihr Überleben. Seit Jahrzehnten bemühen sie sich, der Zerstörung des Regenwaldes in Sarawak Einhalt zu bieten: Seit den 1970ern unterstützt die Regierung kommerzielles Abholzen auf indigenem Land.
Von den Hängen des Gurung Murut, Borneos höchster Berg, bis zu den Sümpfen des Küstenflachlandes ist die einst üppige Welt des intakten Waldes, der Riesenfarne und Hängelianen großflächig abgeholzt.
Die Regierung Sarawaks erkennt nicht die Rechte der Penan an ihrem eigenen Land an, trotz nationaler und internationaler Gesetze zum Schutze indigener Landrechte.
„Gebt uns das Recht und die Gelegenheit, um über jede Form der Entwicklung zu entscheiden, die auf dem traditionellen Land der Penan betrieben wird“, sagen die Penan.
Auf staubigen roten Pisten gelangen Holzarbeiter und Planierraupen tief in die Wälder. In den steil abfallenden Tälern, einst erfüllt von Vogelliedern, geben jetzt Lastwagen und umstürzende Bäume den Ton an.
Die malaysische Regierung behauptet, in Sarawak nachhaltige Holzwirtschaft zu betreiben. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus: Die Wälder werden in einem weltweit fast beispiellosen Tempo gefällt – doppelt so schnell wie am Amazonas.
In Gebieten, wo alle wertvollen Bäume gefällt worden sind, roden Unternehmen jetzt alle übrigen Bäume, um Ölpalmen anzupflanzen. Sogar als Schutzreservate ausgewiesene Gebiete („pulau“) bleiben nicht verschont.
Für Leute mit kommerziellem Interesse am Regenwald ist Abholzung gleichbedeutend mit „Fortschritt“. Für die Penan ist Abholzung „Tod“.
Die Quellgebiete der mächtigen Flüsse Sarawaks sind mittlerweile verschlammt und von Sägemehl und verfaulenden Baumstämmen verschmutzt. Die Fische, von denen die Penan abhängen, sterben, und das Wild, verschreckt durch den Holzeinschlag, flüchtet immer tiefer in die verbliebenen Wälder.
Gefällte Bäume, Erdrutsche, Bodenerosion, Flussverschmutzung und der Verlust des Blätterdaches rauben den Penan nicht nur Unterschlupf, Wild, Fische und Trinkwasser, sondern auch ihre Hoffnung und spirituelle Freude.
„Es ist schwer für uns, das rote Land anzuschauen“, sagen sie. „Wir sind nur glücklich, wenn wir den Luftzug spüren, wenn wir unter den Bäumen sind, wenn wir uns im Schatten der Bäume aufhalten.“
Ein Leben aus Steaks und Cadillacs
Die Regierung Malaysias macht keinen Hehl aus ihrem Wunsch, den Penan, welche sie als „rückständig“ betrachtet, „Entwicklung“ zu bringen.
„Wir verlangen von ihnen, ihre ungesunden, rückständigen Lebensverhältnisse zugunsten der Annehmlichkeiten eines längeren und gesünderen Lebensstils aufzugeben“, soll ein Minister verkündet haben.
„Sie sollen zwei Jahre lang im Waldorf Astoria in New York leben und Cadillacs fahren und schöne, saftige Steaks essen. Wenn sie zurückkehren, sollen sie selber entscheiden, ob sie wie New Yorker leben wollen oder als Penan im Urwald.“
Die Penan sehen ihre Lage völlig anders. „Leben im Wald ist alles, was wir kennen“, sagt eine Frau der Penan. „Wir kennen nicht die Lebensweisen anderer Leute.“
Sie wissen sehr wohl, dass der Alltag in festen Siedlungen herzlich wenig mit Steaks und Cadillacs zu tun hat. Häuser sind in ungeeigneten Gegenden ohne ausreichende Abwasser-Entsorgung errichtet worden. Verschmutzte Flüsse verursachen Magen- und Hautkrankheiten. Mangelernährung, Armut und Krankheit grassieren.
Palmöl
Palmöl – Bestandteil von Frühstücksmüsli, Kosmetika und Motorenschmierstoffen – wird als der Segensbringer der Bio-Treibstoffe schlechthin angepriesen; als billige Alternative zu fossilen Brennstoffen, die der Welt bei der Verringerung von Treibhausgas-Emissionen helfen wird.
Da nun ein beträchtlicher Teil des primären Regenwaldes von Sarawak gerodet worden ist, werden großflächige Gebiete zugunsten von Akazien- und Palmöl-Plantagen geräumt und abgebrannt.
In durch Rodung immer lichter werdenden Wäldern schaffen es die Penan durch Jagd zu überleben trotz des immer knapper werdenden Wilds und der Konkurrenz zu Holzfällern um die verbleibende Nahrung des Waldes.
Ölpalm-Plantagen dagegen sind eine ganz andere Nummer: Sie löschen ganze Wald-Ökosysteme aus.
Im Dezember 2013 begannen 40 Penan-Familien eine Blockade aus Proteste gegen Shin Yang wegen Verletzung des Landes ihrer Urahnen.
Staudämme
Heute sehen sich die Penan einer weiteren Bedrohung ausgesetzt: Staudämme.
Die Regierung plant den Bau zwölf neuer Dämme in Sarawak bis 2020. Im Verlauf der Konstruktion werden Dörfer der Penan und anderer indigener Völker überflutet werden.
Der erste dieser Dämme, der Murum-Staudamm, ist nahezu fertiggestellt. Etwa 1400 Penan sind mittlerweile von der Regierung umgesiedelt worden.
Ihr Leben hat sich unwiderruflich verändert.
Widerstand
Mitte September 2013 begann die Flutung des Murum-Staudamms ungeachtet der Tatsache, dass die Penan nicht ausführlich über den Umsiedlungs-Prozess informiert wurden und die neue Siedlung nicht fertiggestellt war.
Die Penan leisteten Widerstand und blockierten 77 Tage die Baustelle des Murum-Damms. Während dieses Zeitraums wurden einige Protestler verhaftet, andere immer wieder von der Polizei eingeschüchtert. Einige Penan machten sich auch nach Kuala Lumpur auf, um gegen die Aktionen der Regierung auf die Straße zu gehen.
„Wir weigern uns, uns von der jahrhundertealten Heimat unserer Vorfahren vertreiben zu lassen“, sagten sie. „Wir lassen uns nicht wie Flüchtlinge in unserem eigenen Land behandeln.“
Schikanen
Doch im November 2013 – angesichts steigenden Wassers, das sich ihren Dörfern näherte, Nahrungsmangel im Protest-Lager, und der drohenden Demontage einer zu ihren Dörfern führenden Brücke – waren die Penan gezwungen, ihre Blockade abzubrechen und den Umzug in die neue Siedlung der Regierung anzutreten.
Ihre alten Dörfer sind jetzt vollständig überflutet – und die neue Siedlung ist noch immer nicht fertig.
Als Teil der Umsiedlungs-Vereinbarung wurde den Penan eine Entschädigung in Höhe von etwas über 7.000 US-Dollar pro Familie versprochen. Doch ihre anderen Forderungen, inklusive zusätzliches Land und Wald, in dem sie jagen können, sind ignoriert worden.
Trotz Versprechen der Regierung Sarawaks wird die Umsiedlung der Penan wegen des Murum-Damms internationalen Standards nicht gerecht.
„Die Penan wurden nicht ausführlich informiert und die Verhandlungen waren alles andere als transparent“, sagte Sophie Grig, Forscherin bei Survival International, der globalen Bewegung für die Rechte indigener Völker.
„Die Murum-Penan sind in einer aufgegebenen Palmöl-Plantage ausgesetzt worden, gegen ihren Willen und ohne ausreichend Wald, um sich selber zu versorgen. Wer Zeit mit den Penan verbringt, wird wissen, dass ihnen der Regenwald alles bedeutet. Ohne ihn können sie nicht überleben.“
„Es ist für die Penan von zentraler Bedeutung, dass die Rechte an ihrem Land respektiert werden“, fährt sie fort. „Das heißt, es darf keine Abholzungen, Plantagen oder Staudamm-Projekte auf ihrem Land geben. Nichts darf ohne ihre Zustimmung geschehen.“
Einst waren gefällte Bäume
das Zuhause des Nashornvogels,
das Zuhause der Gibbons,
das Zuhause der Languren,
das Zuhause jeder Art von Tier,
das hoch oben lebt.
Wo ist jetzt ihr Zuhause?
Verschwunden. Vernichtet!
Die Regierung sagt, wir sind Tiere.
Wie Tiere des Waldes.
Wir sind keine Tiere des Waldes.
Wir sind Penan.
Menschen.
Ich selber weiß, dass ich ein Mensch bin.
- Penan-Sprecher, Dawat Lupung