COP 15: Statement zum deutschen Naturerbefonds
16 Dezember 2022
Bei der COP 15 in Montreal hat die deutsche Bundesregierung weitere Finanzmittel für den Naturerbefonds (Legacy Landcapes Fund) angekündigt. Fiore Longo, Leiterin von Survivals Kampagne zur Dekolonisierung von Naturschutz, erklärte dazu heute:
„Der Naturerbefonds ist kein Leuchtturm-Projekt, sondern ein Irrlicht. In den letzten Jahren haben wiederholt schwere Skandale die deutsche Biodiversitätsförderung erschüttert. In sogenannten Prestigeprojekten wie den Nationalparks Lobeke, Salonga oder Kahuzi-Biega kam es zu schweren Misshandlungen, Mord und Vertreibung indigener Völker. Und diese Fälle sind nur die Spitze des Eisberges.
Der Legacy Landcapes Fund steht wie kein anderes Projekt für ein „weiter so“: Fördervoraussetzung ist der Ausschluss der lokalen Bevölkerung von einem Großteil ihres Landes und die Naturschutzverbände, die Gelder aus dem Fonds erhalten haben, sind berüchtigt dafür, „Naturschutz mit dem Sturmgewehr” zu betreiben.
Dank der Recherchen von Survival und anderen – die die Blutspur deutscher Biodiversitätsförderung dokumentiert haben – steht die öffentliche Finanzierung von Naturschutzvorhaben auf dem Prüfstand. Doch die Steuergelder, die Deutschland jetzt in den Fonds steckt, sollen „für die Ewigkeit“ wirken. Diese Art von Fonds wird damit zum neusten Mittel, Naturschutzprojekte und -organisationen auch weiterhin ohne öffentliche Rechenschaftspflicht und Transparenz zu finanzieren.
Dass der Naturerbefonds vor diesem Hintergrund als strahlendes Beispiel für den Artenschutz gepriesen wird, kann man sich nur damit erklären, dass Deutschland keinen Pfifferling auf die Rechte indigener Völker gibt.”
Hintergrund:
- Die Förderkriterien des Fonds schreiben vor, dass mindestens 50 % der Fläche des geförderten Schutzgebietes den strengsten Schutzgebietskategorien I oder II (oder gleichwertig) unterliegen müssen. Naturschutzgebiete dieser Kategorie werden von Regierungsbehörden und/oder großen Naturschutzorganisationen verwaltet und schließen die Nutzung durch die lokale Bevölkerung aus. Dazu gehört in der Regel auch alles, was indigene Völker tun, um ihre Familien zu ernähren, wie jagen, sammeln, fischen etc.
- Gebiete, die von indigenen Völkern bewohnt werden, beinhalten Schätzungen zufolge rund 80 % der verbliebenen Artenvielfalt der Erde. Gebiete, die von ihnen verwaltet werden, weisen regelmäßig eine geringere Abholzung auf. Indigene Gemeinden stehen weltweit an vorderster Front im Kampf gegen die Zerstörung ihres Landes durch die Industrie und Regierungen. „Naturschutz“, der die Rechte indigener Völker schwächt, schadet daher auch der Biodiversität.
- Die Naturschutzverbände, die bisher von dem Fonds profitieren, waren bereits in Rechtsverletzungen an indigenen und lokalen Gemeinden verwickelt: Wildlife Conservation Society, Conservation International, Zoologische Gesellschaft Frankfurt und African Parks.
- In den USA wird gerade ein Gesetzentwurf diskutiert, der strengere Vorschriften für Rechenschaftspflicht und Transparenz in Naturschutzprojekten vorsieht, nachdem auch dort Menschenrechtsverletzungen in Projekten bekannt wurden, die Steuergelder erhalten hatten. Deutschland hat bisher keine vergleichbaren Maßnahmen oder Empfehlungen umgesetzt.